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Vorlage - 2018/292  

Betreff: Zukünftige Organisation des Rettungsdienstes
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Federführend:Fachdienst Ordnungswesen Bearbeiter/-in: Mehnert, Margret
Beratungsfolge:
Ausschuss für zentrale Verwaltung und Feuerschutz Vorberatung
25.06.2018 
6. Sitzung des Ausschusses für zentrale Verwaltung und Feuerschutz geändert beschlossen   
Kreisausschuss Entscheidung

Finanzielle Auswirkungen
Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Anlage 1 Vergleich der drei Modelle  
Anlage 2 Abbildung Organisationsmodelle  


 

Im Budget enthalten:

ja

Kosten (Betrag in €):

ca. 50.000,00 €

Mitwirkung Landrat:

ja

Qualifizierte Mehrheit:

nein

Relevanz

Gender Mainstreaming

nein

Migration

nein

Prävention/Nachhaltigkeit

ja

Bildung

nein

Klima-/Umwelt-/Naturschutz

nein

 

 


 

 


Die bestehende Interimsbeauftragung zur Durchführung des Rettungsdienstes im Landkreis Peine wird abweichend von dem Beschluss des Kreisausschusses vom 09.08.2017 (Vorlage 2017/100) um zwei weitere Jahre bis zum 31.12.2021 verlängert, um den Prozess der zukünftigen Neuausrichtung in die Wege zu leiten.

 

Die Verwaltung wird beauftragt, unter Begleitung eines externen Fach-Unternehmens eine Entscheidungs-Matrix zu erstellen, auf deren Basis die Entscheidung über die Eigen- oder die Fremdvergabe des Rettungsdienstes im Landkreis Peine spätestens ab dem 01.01.2022 vom Kreistag getroffen wird.

 

 


1. Derzeitige Situation im Landkreis Peine

 

Der Landkreis Peine ist Träger des Rettungsdienstes nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Nds. Rettungsdienstgesetz (NRettDG). Als Träger des Rettungsdienstes hat der Landkreis die Notfallrettung sowie die Durchführung des qualifizierten Krankentransportes sicherzustellen.

 

Im Rahmen der Notfallrettung hat der Rettungsdienst bei lebensbedrohlich Verletzten oder Erkrankten und bei Personen, bei denen schwere gesundheitliche Schäden zu erwarten sind, wenn sie nicht unverzüglich medizinische Versorgung erhalten, die erforderlichen medizinischen Maßnahmen am Einsatzort durchzuführen, die Transportfähigkeit dieser Personen herzustellen und sie erforderlichenfalls unter fachgerechter Betreuung mit dafür ausgestatteten Rettungsmitteln in eine für die weitere Versorgung geeignete Behandlungseinrichtung zu befördern. Wobei dies auch die Bewältigung von Notfallereignissen mit einer größeren Anzahl von Verletzten oder Kranken einschließt (Großschadensereignis).

 

Die Durchführung des qualifizierten Krankentransportes umfasst die Beförderung sonstiger Kranker, Verletzter oder Hilfsbedürftiger, die nach ärztlicher Verordnung während der Beförderung einer fachgerechten Betreuung oder der besonderen Einrichtung eines Rettungsmittels bedürfen oder bei denen dies aufgrund ihres Zustandes zu erwarten ist.

 

Bei der Durchführung des Rettungsdienstes handelt es sich um eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises.

 

Derzeit sind für die Wahrnehmung der Aufgaben des Rettungsdienstes der Arbeiter-Samariter-Bund, das Deutsche Rote Kreuz und die Firma Daetz nach § 5 NRettDG beauftragt (sog. Submissionsmodell).

 

Eine Überprüfung der bedarfsgerechten Vorhaltung an Rettungsmitteln erfolgt einmal jährlich durch Fortschreibung des Rettungsdienstbedarfsplanes. Nach der Bedarfsverordnung-Rettungsdienst ist die Aufgabenerfüllung an Eintrefffristen gebunden, wobei insbesondere die Fristvorgabe im Bereich der Notfallrettung (Erreichen des Einsatzortes durch ein geeignetes Rettungsmittel) innerhalb von 15 Minuten in 95 % der Einsatzfälle zu beachten ist.

 

In 2017 ergaben sich 21.754 Einsätze. Abzüglich 2.353 Fehleinsätze wurden 1.809 Notarzteinsätze, 11.039 Einsätze in der Notfallrettung sowie 6.073 Fahrten im qualifizierten Krankentransport durchgeführt und mit den Kostenträgern abgerechnet.

 

Die Notfallrettung wird in der Regel mit Rettungswagen (RTW) durchgeführt. Im Landkreis Peine werden hierfür acht Fahrzeuge vorgehalten. Zur Durchführung der qualifizierten Krankentransporte stehen vier Krankentransportwagen (KTW) zur Verfügung. Für die Zuführung des Notarztes zu Einsatzstellen ist darüber hinaus ständig ein Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) einsatzbereit. Stationiert sind die Fahrzeuge in insgesamt sieben Rettungswachen, verteilt über das gesamte Kreisgebiet. Die Besetzung der Fahrzeuge erfolgt durch 77 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rettungsdienst

(Notfallsanitäter//Rettungsassistenten/Rettungssanitäter).

 

Die Rettungsleitstelle wird zusammen mit der Feuerwehr-Einsatz-Leitstelle betrieben. Im März 2006 wurde eine Zweckvereinbarung über eine gemeinsame integrierte Leitstelle zwischen der Stadt Braunschweig und dem Landkreis Peine und zu einem späteren Zeitpunkt auch mit dem Landkreis Wolfenbüttel geschlossen. Die Stadt Braunschweig übernimmt seither die Aufgaben gemäß § 6 Abs. 1 NRettDG.

 

Ergänzend zu der jährlichen Abstimmung des Bedarfsplanes wurde im Auftrag der Kostenträger des Rettungsdienstes im Oktober 2010 ein Sachverständigengutachten über die bedarfsgerechte und aufeinander abgestimmte Fahrzeugvorhaltung von RTW und KTW in Auftrag gegeben. Das Gutachten stellte fest, dass im Rettungsdienstbereich des Landkreises Peine die Leistungen des Rettungsdienstes künftig nur dann flächendeckend, gleichmäßig und bedarfsgerecht erbracht werden können, wenn die Vorhalteleistung an Fahrzeugstunden um 463 Wochenstunden im Bereich der RTW und KTW erhöht wird. Dies entspricht im Vergleich zur damaligen Rettungsmittelvorhaltung einer prozentualen Erhöhung von 43,84 %. Das Ergebnis des Gutachtens wurde von den Kostenträgern des Rettungsdienstes akzeptiert. Die Vorhalteerhöhung wurde zum 01.01.2013 vollständig umgesetzt.

 

Die Bedarfsplanung basiert auf dem Sachverständigengutachten und wird jährlich fortgeschrieben.

 

Zwischenzeitlich wurde mit Zustimmung der Kostenträger ein aktuelles Gutachten der bedarfsgerechten und aufeinander abgestimmten Fahrzeugvorhaltung beauftragt und liegt seit dem 01.03.2018 vor. An der aktuellen Vorhaltung sind laut Gutachten derzeit nur marginale Anpassungen vorzunehmen.

 

Die Leistungen des Rettungsdienstes werden durch die Kostenträger im Gesundheitswesen refinanziert. So werden Personalkosten, Kosten für Sachmittel (u.a. Fahrzeuge, Betriebs- und Geschäftsausstattung) sowie die Verwaltungskosten gemäß einer Kostenrichtlinie des Landes erstattet.

 

Die Abrechnung mit den Kostenträgern erfolgt direkt durch das Sachgebiet Katastrophenschutz, Rettungsdienst und Feuerwehr im Fachdienst Ordnungswesen. Die Beauftragten erhalten monatliche Abschlagszahlungen. Der Landkreis geht damit in Vorleistung. 

 

Für die Abrechnung der Rettungsdiensteinsätze wurden in 2017 insgesamt 5.982.026,20 EUR von den Kostenträgern (Krankenkassen) sowie privaten Rechnungsempfängern erstattet. Für das Jahr 2018 beläuft  sich das Plan-Budget auf ca. 8,0 Mio. €. Die erforderlichen Steigerungen sind im Wesentlichen durch Personal-Aufstockungen bei den jeweiligen Beauftragten zu begründen.

 

2. Situation in den umliegenden Landkreisen/Referenz-Landkreise

 

Landkreis Gifhorn

Im Landkreis Gifhorn wird der Regel-Rettungsdienst (also der hauptamtliche Rettungsdienst) derzeit wie seit Jahren von einer beauftragten Hilfsorganisation durchgeführt. Der Landkreis Gifhorn hat hierzu zu Beginn der 90er Jahre einen entsprechenden Beauftragungs-Vertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Dieser Vertrag unterliegt im Gegensatz  zu dem Alt-Vertrag im Landkreis Peine nicht dem Vergaberecht, da er vor dem Stichtag 30.06.1993 abgeschlossen wurde. Daher genießt der Vertrag Bestandsschutz und ist nicht anfechtbar. Etwaige Bedarfsanpassungen werden seitens des Landkreises immer unterhalb der Vergabeschwelle vorgenommen. Folglich wird dort derzeit kein Handlungsdruck hinsichtlich der aktuellen vergaberechtlichen Diskussion im Rettungsdienst gesehen

 

Landkreis Celle

Im Landkreis Celle war die derzeitige Beauftragung mit einer Hilfsorganisation auf zehn Jahre befristet und der Vertrag läuft 2018 aus. Folglich wurden dort Überlegungen angestellt, ob man in Zukunft den Rettungsdienst in Eigenregie ausübt oder extern ausschreibt. Diese Grundsatzentscheidung hat dort der KA nach einem zuvor erfolgten Abwägungsprozess zugunsten der externen Vergabe getroffen.

 

 

Landkreis Helmstedt

Im Landkreis Helmstedt wird seit geraumer Zeit bereits eine Rettungswache in Eigenregie betrieben, also mit eigenem Personal und Fahrzeugen. Zwei weitere Rettungswachen-Standorte werden durch eine beauftragte Hilfsorganisation betrieben. Der Beauftragungs-Vertrag ist ebenfalls so alt, dass diese Beauftragung Bestandsschutz genießt und nicht dem Vergaberecht unterliegt. Derzeit sind zwei weitere Rettungswachen in Planung, die aber aufgrund der aktuellen rechtlichen Situation nicht extern vergeben, sondern ebenfalls in Eigenregie betrieben werden sollen (Teil-Kommunalisierung). Der entsprechende Bedarfsplan wurde seitens der Politik aktuell so beschlossen.

 

 

Stadt und Landkreis Hildesheim

Die Stadt und der Landkreis Hildesheim sind beide Rettungsdienstträger und  haben ihre Rettungsdienstleistungen zusammen mit Ausnahme von zwei Rettungsmitteln der Berufsfeuerwehr zum 01.01.2012 unter Beachtung der vergaberechtlichen Vorschriften ausgeschrieben. Im Vorgriff auf die Änderung des NRettDG beinhaltete die Ausschreibung auch die Vergabe des sogenannten „erweiterten Rettungsdienstes“ zur Bewältigung von Großschadenlagen unterhalb der Katastrophenschutzschwelle.

 

Nach dem Zuschlag haben die unterlegenen Bieter in allen Losen die Vergabeentscheidung durch die Vergabekammer Lüneburg und teilweise auch durch das Oberlandesgericht Celle  überprüfen lassen. Aufgrund der anhängigen Verfahren mussten die Beauftragungen der bisherigen Leistungserbringer interimsmäßig zunächst bis zum 31.03.2012  bzw. bis zum 30.06.2012 verlängert werden.

 

Mit allen Zuschlagsbietern wurden anschließend öffentlich-rechtliche Verträge über die Beauftragung mit den Leistungen des Rettungsdienstes im Landkreis Hildesheim für die Zeit vom 01.04.2012 bzw. 01.07.2012 bis 31.12.2017 abgeschlossen.

 

Das anschließende Ausschreibungsverfahren für die Zeit ab 2018 wurde mit einem zeitlichen Vorlauf von zwei Jahren begonnen, um evtl. Nachprüfungsverfahren wie beim ersten Mal seitens der unterlegenen Bieter mit einplanen zu können. Letztendlich hat aber nur ein Bieter bei der Vergabekammer ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet. Die ab 01.01.2018 beauftragten Unternehmen unterscheiden sich zum Teil von den bisherigen, so dass es hier auch zu Betriebsübergängen des Personals kam.

 

Das Problem bei den Ausschreibungen liegt im Wesentlichen bei Vorhaltungsanpassungen während des Ausschreibungsverfahrens bzw. nach erfolgter Vergabe. Sobald hier eine auch nur minimale Anpassung erfolgen muss, ist diese Leistung erneut außerhalb des laufenden Bieterverfahrens bzw. unabhängig von bestehenden Beauftragungen gesondert auszuschreiben und zu vergeben. Somit besteht die Gefahr, sich permanent mit solchen kostenintensiven Verfahren und der zu erwartenden Klagen unterlegener Bieter  beschäftigen zu müssen.

 

 

Städte Salzgitter und Braunschweig

In beiden Städten wird der Regel-Rettungsdienst mit Ausnahme des qualifizierten Krankentransportes in Eigenregie durch die Berufs-Feuerwehren durchgeführt. Daher stellt sich dort auch die Frage nach einer Fremdvergabe nicht.

 

 

3. Referenz-Landkreise: Eigenvergabe mit Begründung

 

Landkreis Heinsberg

Der Landkreis Heinsberg liegt in NRW westlich von Köln an der belgischen Grenze. Er hat rund 260.000 Einwohner (Stand 12/2016). Bis ins Jahr 1999 wurde der Rettungsdienst dort ebenso wie im Landkreis Peine von einem Beauftragten durchgeführt. Im Jahr 2000 entschloss man sich, für eine Ausschreibung des Rettungsdienstes. Den Zuschlag erhielten die drei Hilfsorganisationen. Dieses Modell musste aber letztendlich wieder überdacht werden, weil die Qualität im Laufe der Zeit erheblich unter dem Preisdruck zu Lasten des eingesetzten Personals litt. Die beauftragten Hilfs-Organisationen mussten teilweise schlecht ausgebildete Hilfskräfte beschäftigen und auf Jobbörsen mit unter- bzw. gar nicht ausgebildetem Personal zurückgreifen, um kostendeckend arbeiten zu können.

 

Daher entschloss man sich unter externer fachlicher Begleitung die Kriterien für eine Kommunalisierung denen einer erneuten Ausschreibung gegenüberzustellen und eine Entscheidung in der Politik herbeizuführen. Zunächst wurden interne, nicht öffentliche Gespräche der erarbeiteten Entscheidungs-Matrix zur Vorstellung in den Fraktionen in einer „Landratsrunde“ (Fraktionsvorsitzende und LR) geführt.  Anschließend wurde die Politik entsprechend eingebunden. Dort wurde vor allem Wert auf die Anwendung des TVöD im Rahmen für das eingesetzte Personal gelegt. Ebenso sollte auf jeden Fall das Ehrenamt weiter erhalten und gefördert werden.

 

Am Ende des Entscheidungsprozesses hat der Kreistag des Kreises Heinsberg beschlossen, von einer erneuten Ausschreibung der Rettungsdienstleistungen abzusehen und den Rettungsdienst ab dem 01.01.2012 in Eigenregie durchzuführen.

 

Die Vorteile einer Kommunalisierung sind vor allem dahingehend zusammenzufassen, dass eine Einflussnahme des Kreises als Träger des Rettungsdienstes auf die Aktivitäten des öffentlichen Rettungsdienstes im Kreisgebiet im Rahmen einer kommunalen Einrichtung direkter bzw. jederzeit und nicht nur im Rahmen der Ausschreibung möglich ist.

 

Die von vornherein in das Verfahren mit eingebundenen bisherigen beauftragten Hilfs-Organisationen waren genau wie im Landkreis Peine zunächst sehr skeptisch und befürchteten insbesondere den Einbruch des Ehrenamtes für den erweiterten Rettungsdienst und für den Katastrophenschutz. Genau das ist letztendlich nicht passiert, im Gegenteil: Da die Politik im Rahmen des Entscheidungsprozesses sehr großen Wert auf den Erhalt des Ehrenamtes in diesem Bereich legte, wurden mit den Hilfs-Organisationen Kooperationsverträge geschlossen, die ihnen einen Bestandsschutz gewährleisteten. Letztendlich läuft die Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen auch durch eine finanzielle Förderung (wird auch über den Kat-Schutz abgebildet) sehr gut. Die Zahlen der ehrenamtlich Tätigen sind sogar gestiegen.

 

Die Kostenträger wurden ebenfalls sehr früh mit ins Boot genommen, um auch hier eine möglichst große Transparenz zu erzielen. Letztendlich sind sie nach den Regelungen im SGB V und der entsprechenden landesrechtlichen Regelung zur Kostenübernahme verpflichtet. Als Rechtsform hat sich die gGmbH als sehr positiv herausgestellt, da hier eine große Flexibilität vor allem bei Beschaffungen sichergestellt ist. Die Kommunalaufsicht wurde vor der Entscheidung ebenfalls beteiligt.

 

Rückblickend hat sich die Entscheidung der Kommunalisierung aus Sicht des Landkreises Heinsberg bewährt.

 

Landkreis Holzminden

Im Landkreis Holzminden wird der Rettungsdienst schon immer in Eigenregie durchgeführt, seit ca. fünf Jahren in der Rechtsform eines Eigenbetriebes und vorher in anderen Rechtsformen. Lediglich ein Krankentransportwagen wird von einer beauftragten Hilfsorganisation besetzt. Bezahlt werden die Einsatzkräfte nach TVöD. Seit 2017 bildet der Landkreis auch eigene Notfallsanitäter/innen und Rettungssanitäter/innen aus, da es in letzter Zeit immer schwieriger wurde, geeignetes Personal auf dem Arbeitsmarkt zu akquirieren.

 

Für den erweiterten Rettungsdienst greift man dort zum einen auf hauptamtliches Personal und auch auf ehrenamtliche Kräfte zurück. Das funktioniert gut.

 

Weitere Referenz-Landkreise wären der Landkreis Harburg, und auch die RKiSH gGmbH, Deutschlands größter kommunaler Rettungsdienst, ein Zusammenschluss der Landkreise Dittmarschen, Pinneberg, Rendsburg-Eckernförde und Steinburg.

Hier wurde noch kein Kontakt hergestellt, da die angefragten Fakten zunächst auskömmlich für die abschließende Meinungsbildung sein dürften.

 

4. Rechtslage des Beauftragungsverhältnisses im Landkreis Peine

 

a) Altvertrag vom 21.12.1994:

 

Die Beauftragung im Landkreis Peine stützt sich auf eine vertragliche Vereinbarung vom 21.12.1994. Die Aufgaben werden seit dem 01.01.1995 von den drei Beauftragten wahrgenommen.

Der EuGH hat  in seinem Urteil vom 24.09.1998 (Az.: Rs. C-76/97) zweifelsfrei ausgeführt, dass „das Gemeinschaftsrecht einen öffentlichen Auftraggeber eines Mitgliedstaates nicht verpflichtet, auf unbestimmte oder für mehrere Jahre abgeschlossene Rechtsverhältnisse einzugreifen, wenn diese Rechtsverhältnisse vor Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie 92/50 begründet worden sind.“

Die entsprechende Richtlinie war bis zum 30.06.1993 von den Mitgliedstaaten umzusetzen, so dass nur Verträge, die vor dem 01.07.1993 geschlossen wurden, Bestandsschutz genießen.

Der Alt-Vertrag vom 21.12.1994 ist unter Umgehung der bereits geltenden Vorschriften des europäischen Vergaberechts geschlossen worden. Da er deshalb keinen Bestandschutz genießt, ist er rechtswidrig. Die Verwaltung ist gem. Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden, insofern sollte sie einem erkannten Rechtsverstoß alsbald abhelfen. Die Abhilfe kann nur geleistet werden, indem der Vertrag gekündigt wird und die Durchführung des Rettungsdienstes zukünftig in (europa-) rechtskonformerweise durchgeführt werden kann.

 

b) Verpflichtung der Vergabe im Ganzen und nicht in Teilen:

 

Der EuGH hat die Wertung in Bezug auf die wesentliche Änderung eines Vertrages mit seiner Entscheidung (19.06.2008, Az.: C-454/06) vorgegeben, in der er festgestellt hat, dass eine wesentliche Änderung des Vertrages stets zu einer Neuausschreibung des Vertrages führt.

Folglich ist hier die Gesamtleistung im Rahmen der Vorhalteerhöhung zu betrachten, so dass  die aufgrund des Gutachtens von 2011 erfolgte Vorhalte-Erweiterung um 43,84 % nicht etwa in Teilbereiche aufgeteilt werden kann. Das widerspricht der Wertung der Vergabeverordnung. Das Verbot des § 3 Abs. 2 VgV würde missachtet werden. Der Auftragswert darf nicht in der Absicht gestückelt werden, die geltenden Schwellenwerte zu unterschreiten.

Deshalb hätte die Leistung wegen der vollständigen Vorhalteerhöhung von über 43 % bereits im Jahr 2012 ohnehin gemäß § 132 des Gesetztes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) ohnehin ausgeschrieben werden müssen. Ergänzend zu der Tatsache, dass der Restvertrag vergaberechtswidrig zustande gekommen ist (s. o.), muss folglich die gesamte Rettungsdienstleistung ausgeschrieben werden. Anderenfalls würde man einen rechtswidrigen Altvertrag auf Dauer dem Markt und somit dem Vergaberecht entziehen und  mit einer teilrechtmäßigen Neuvergabe koppeln. Diesen Zustand können wir nicht sehenden Auges weiter verfestigen, da der Landkreis Peine und seine Organe (Landrat, KA und KT) gem. Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden sind.

 

Eine Art „Bestandskraft“ gibt es bei diesen Verträgen nicht. Vergaberechtswidrig zustande gekommene Verträge sind jederzeit - auch nach Ablauf von 24 Jahren - zumindest von der Europäischen Kommission überprüfbar. Eine weitere Interimsvereinbarung führt überdies erneut zu einer Angreifbarkeit durch potentielle Mitbieter.

 

Fazit:

 

Eine Neuregelung des kompletten Rettungsdienstes ist allein schon aus Gründen der Rechtssicherheit und Nachhaltigkeit unumgänglich.

 

Dabei bleibt festzustellen, dass für den Landkreis als Träger des Rettungsdienstes die Qualität und Nachhaltigkeit bei der Herbeiführung einer Entscheidung über die zukünftige Organisation im Vordergrund stehen muss, da die notwendigen Kosten für das System mit Ausnahme etwaiger Kosten für eine Fremdvergabe von den Kostenträgern getragen werden.

 

Daher wird unabhängig von der Vergabeart (Eigen- oder Fremdvergabe) empfohlen, den Verfahrens-Prozess extern durch ein entsprechendes Unternehmen begleiten und eine Entscheidungsmatrix erstellen zu lassen, auf deren Basis eine politische Entscheidung über die Eigen- oder Fremdvergabe des Rettungsdienstes im Landkreis Peine bis spätestens zum 01.01.2022 getroffen werden kann.

 

Die Neuausrichtung zur Durchführung des Rettungsdienstes kann so aus externer Sicht wertneutral beurteilt und mit der Verwaltung, der Politik unter Beteiligung der betroffenen Leistungserbringer im Rettungsdienst schrittweise abgestimmt werden.

 

 

5. Mögliche Modelle zur Organisation des Rettungsdienstes

 

 

Grundsätzlich sind drei Modelle möglich. Man unterscheidet bei den kommunalen Ausgestaltungsmöglichkeiten von Rettungsdienstleistungen zwischen dem Submissionsmodell, dem Konzessionsmodell und der kommunalen Eigenverantwortlichkeit (Kommunalisierung). Das Submissionsmodell und die Eigenvergabe sind deutlich intensiver zu betrachten als das Konzessionsmodell, da sich hier kaum Einflussmöglichkeiten für den Träger bieten und dies für den Landkreis Peine nicht vorteilhaft wäre.

Eine ausführliche Betrachtung einzelner Gesichtspunkte ist in der Anlage 1 vorgenommen worden. Ebenso ist eine Abbildung über die Organisationsmodelle (Anlage 2) beigefügt.

 

 

6.Erweiterter Rettungsdienst (Großschadensereignis)

 

Der erweiterte Rettungsdienst ist ebenso vorgeschriebener Teil der Aufgabenerfüllung des Rettungsdienstes. Darunter fällt die Vorhaltung von Einsatzmitteln und -kräften für ein Ereignis mit einer Zahl von Erkrankten oder Verletzten, die die individualmedizinischen Versorgungskapazitäten des regulären Rettungsdienstes überschreiten, aber unterhalb der Schwelle zur Feststellung des Katastrophenfalles liegen. Der erweiterte Rettungsdienst setzt sich aus alarmierbaren, dienstfreien hauptamtlichen Kräften, der „Örtlichen Einsatzleitung-Rettungsdienst“ und den ehrenamtlichen Schnelleinsatzgruppen zusammen.

 

Sowohl bei einer Eigenvergabe als auch bei einem Wechsel der Beauftragten im Rahmen einer Fremdvergabe ist die Verbindung vom hauptamtlichen und ehrenamtlichen Rettungsdienst nicht mehr zwingend gegeben. Bei der Eigenvergabe könnte jedoch von hier gesteuert werden, dass das Ehrenamt im Rettungsdienst gefördert wird und z. B. auch eine gemeinsame Materialbevorratung oder ähnliches erfolgt.

 

Bei einer Fremdvergabe besteht die Gefahr, dass sich die meisten Ehrenamtlichen unter Umständen nicht unter einer „neuen“ ortsfremden Rettungsdienstorganisation sammeln würden. Die tatsächlichen Konsequenzen sind jedoch schwer einzuschätzen. Fakt ist, dass die Hilfsorganisationen sich durch ihre Satzungen auferlegen, in größeren Schadenslagen unterstützend einzugreifen.

 

 

 

 

Ziele / Wirkungen:

Rechtssichere Neuausrichtung des Rettungsdienstes und Chancengleichheit für alle Beteiligten.

 

 

Ressourceneinsatz:

 

Ca. 50.000 (Kosten externe Begleitung)

 

Schlussfolgerung:
Verlängerung der Interims-Beauftragung zur  Prüfung einer endgültigen und rechtssicheren Neuausrichtung des Rettungsdienstes im Landkreis Peine unter externer  Begleitung zur fachlichen Beurteilung der Entscheidungs-Optionen.

 

 

 


1. Vergleich der drei Modelle

2. Abbildung Organisationsmodelle des Rettungsdienstes

 

 

 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Anlage 1 Vergleich der drei Modelle (86 KB)      
Anlage 2 2 Anlage 2 Abbildung Organisationsmodelle (60 KB)      
Stammbaum:
2018/292   Zukünftige Organisation des Rettungsdienstes   Fachdienst Ordnungswesen   Beschlussvorlage
2018/292-01   Zukünftige Organisation des Rettungsdienstes   Fachdienst Ordnungswesen   Beschlussvorlage