Vorlage - 2008/018
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Die Verwaltung wird beauftragt, einen Vorschlag für die Einrichtung und die Durchführung eines so genannten Bürgersolarkraftwerkes im Gebiet des Landkreises zu erarbeiten.
Dabei ist die Form der Bürgerbeteiligung, der Machbarkeit und des Managements der Bürgersolaranlage, des Finanzbedarfes und den Möglichkeiten der Finanzierung, sowie weitere Einzelheiten, wie die Dimensionierung, die Lage, die Anschlussmöglichkeiten, verwaltungsorganisatorische Aspekte etc. darzustellen
Die hierfür erforderlichen Mittel werden aus dem Klimaschutzfonds (z. Zt. dotiert mit 150.000 € bei FB 2) bereitgestellt.
Nach eingehender Beratung sind die Grundaussagen der Verwaltungsvorlage („Kommunales nachhaltiges Energiemanagement“ im Landkreis Peine 2007-2011; Dokumentation und konzeptionelle Überlegungen (Masterplan KNEM)) mit Modifikationen fraktionsübergreifend einvernehmlich auf den weiteren Weg zur Umsetzung gegeben worden.
Die Generallinie und Einzelheiten sind im Ausschuss für Umwelt und Verbraucherschutz (Sitzungen am 04.09.2007 und 06.11.2007) und im Ausschuss für Planen Bauen und Liegenschaften (Sitzung am 11.09.2007und am 07.11.2007) beraten und jeweils einmütig verabschiedet worden.
Klimaschutz geht jeden etwas an.
Einer Studie des Umweltbundesamtes (Umweltbewusstsein 2006) [1] zur Folge wird Umweltschutz für die Bürgerinnen und Bürger wieder wichtiger.
Auf die offene Frage nach den wichtigsten Problemen heute in Deutschland nennen 25% spontan den Umweltschutz (2004: 18%, 2002: 14%).
Damit ist der Umweltschutz in der Rangfolge der wichtigsten Probleme von Platz 4 in den Jahren 2000 und 2002, über Platz 3 im Jahr 2004 auf derzeit Platz 2 geklettert.
Die ansteigende Bedeutung des Umweltschutzes dürfte vor allem darauf zurückzuführen sein, dass der weltweite Klimawandel in das öffentliche Bewusstsein vorgedrungen ist.
Bei der Gegenüberstellung verschiedener politischer Aufgabenbereiche halten 50%
der Deutschen den Umweltschutz für „sehr wichtig‘‘ (2004: 45%). Damit steht der Umweltschutz in der Rangfolge der wichtigsten politischen Aufgaben auf Position 7 (2004: Rang 8).
Deutschland soll in der internationalen Klimaschutzpolitik Vorreiter sein.
Dies fordern 67% der Deutschen. Im Vergleich zu den Vorjahren hat die Zahl der
Befürworter einer deutschen Vorreiterrolle stark zugenommen (2002: 47%, 2004:
56%).
Immer stärker dringt also die Problematik der globalen Klimaerwärmung in die öffentliche Meinung vor.
Für eine Unabhängigkeit von Öl und Gas durch erneuerbare Energien sorgen, das
gehört für 59% der Bundesbürger zu den wichtigsten umweltpolitischen Aufgaben. 87% wollen einen konsequenten Umstieg auf erneuerbare Energien. Annähernd 90% sind für einen Ausbau der Solarenergie, über 70% für den Ausbau von Offshore-Windenergie.
Ferner soll die Industrie dazu angehalten werden, mehr energiesparende Produkte
anzubieten ---dies findet nahezu hundertprozentige Zustimmung.
Auf die offen gestellte Frage, was die Bundesregierung aktuell für den Umweltschutz
tun solle, antworteten die meisten eher allgemein:
Die Regierung solle weitergehende Gesetze und Richtlinien zum Umweltschutz erlassen. An zweiter Stelle der Bürgerwünsche an die Regierung steht die Förderung alternativer und erneuerbarer Energien.
Damit wird bestätigt, dass eine moderne Energiepolitik im Vergleich mit anderen umweltpolitischen Aufgaben ganz klar Vorrang für die Deutschen hat.
Gleichzeitig schätzt ein Drittel der Deutschen die Umweltqualität in Deutschland als „eher schlecht‘‘ ein, fast doppelt so viele wie 2004.
Zwar bescheinigen immer noch zwei Drittel der Befragten Deutschland eine „sehr gute‘‘ oder „recht gute‘‘ Umweltqualität, dieser Wert lag 2004 mit 82% aber deutlich höher. Die Zahl derjenigen, die Umweltprobleme für eine starke gesundheitliche Belastung verantwortlich machen, ist angestiegen. Etwas mehr als jeder vierte Deutsche sieht sich durch Umweltprobleme derzeit persönlich belastet.
Das Interesse an einem ehrenamtlichen Engagement für den Umwelt und Naturschutz
hat stark zugenommen: 45% können sich vorstellen, entsprechend aktiv zu werden (2004: 33%).
Es soll also mehr getan im Umweltschutz, im Besonderen für den Klimaschutz getan werden.
Persönliches Umweltwissen und persönliches Umwelthandeln sind jedoch nach Erkenntnissen führender Umweltwissenschaftler in Deutschland nicht so eng miteinander verzahnt, wie allgemein angenommen wird.
Es gibt zwar eine große Sensibilisierung für Umweltfragen, jedoch sieht dies im Bereich der persönlichen Zahlungsbereitschaft (noch) nicht so gut aus.
Abseits moralinsaurer Hinweise auf vielfach gescholtene Umweltrhetoriker und Umweltignoranten sind für diese Kluft zwischen Wissen und Handeln folgende Hemmnisse denkbar:[2]
- Wahrnehmung: fehlender tatsächlicher persönlicher Verhaltensänderungsdruck
- Verortung: schlechte Umwelt wird vornehmlich in der Ferne (im Ausland, China oder anderswo) vermutet
- Zeitfaktor: erst in Zukunft wird es um die Umwelt richtig schlechter bestellt sein
- Trend: Trendsetter ist nicht der „Öko“, der ist „out“
- mangelnder Gemeinsinn: „Ich bin doch nicht blöd“, „Geiz ist geil“
Initiative der Kreispolitik für mehr Klimaschutz im Landkreis Peine
Nachhaltigkeit im Wissen und Handeln sollen im Landkreis Peine einen neuen Schub und neue Handlungsfelder eröffnet bekommen.
Die Solarwirtschaft in Deutschland boomt. In Folge der gesetzlich garantierten Einspeisevergütung für solar erzeugten Strom wird bundesweit mit einer steigenden Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen (= Solarstromanlagen) gerechnet. Nicht nur bei der Produktion von Solarzellen, auch bei der Anzahl installierter Photovoltaik-Anlagen sind hohe Wachstumsraten zu verzeichnen.
Diese Anlagen werden zum Teil im Freiland oder auf Dächern oder an Gebäudefassaden installiert.
Im Landkreis Peine gibt es für Solarenergie geeignete Flächen, wie z.B. große Dachflächen von Hallen, aufgelassene Industriestandorte oder Oberflächen von Altdeponien oder andere interessantere Areale, die einer Nachnutzung harren.
An vielen Stellen haben sich mittlerweile engagierte Bürgerinnen und Bürger des Landkreises zum Thema Solarenergie eingebracht,
Handlungsfelder
Leuchtturmprojekt „Bürgersolaranlage Peiner Land“
Ein wichtiges „Leuchtturmprojekt“ des Klimaschutzprogrammes „Masterplan KNEM“ könnte eine so genannte „Bürgersolaranlage Peiner Land“ sein, die diesen erkennbaren Bedürfnissen entspricht.
Dies gilt z.B. für Menschen, die nicht Besitzer geeigneter Dachflächen sind, aber finanzielle Mittel zur Verfügung stellen wollen, um etwas für den Klimaschutz zu tun. Bereits der „sozialen Nachhaltigkeit“ wegen soll daher auch breiten Bevölkerungsschichten, z.B. auch Mietern und Hausbesitzern ohne geeignete Dachflächen für Solaranlagen eine konkrete Möglichkeit eröffnet werden „mitzumachen“.
Die Verwaltung des Landkreises Peine soll daher beauftragt werden die Einrichtung und den Betrieb eines "Bürgersolarkraftwerkes Peiner Land" vorzunehmen.
Aufgabenpalette für ein „Bürgersolaranlage Peiner Land“
Die Arbeiten für ein Bürgersolarkraftwerk umfassen viele unterschiedliche Dienstleistungen und berühren technische, juristische, finanzielle und verwaltungs-organisatorische Belange.
Die Interessenten (Investoren) sollen in diesem Projekt zu verlässlichen Bedingungen im Auftrag des Landkreises Peine an den Betreiber oder Betreuer der Bürgersolaranlage vermittelt werden, um dort unter reellen und gesicherten Bedingungen in eine Solaranlage investieren zu können.
In einem Bürgersolarkraftwerk finden Interessierte somit ein konkretes und fassbares Angebot.
Investorengemeinschaft
Eine noch festzulegende Anzahl von Investoren aus dem Landkreis Peine, aber auch von weiter her, könnte in diese zukunftsweisende Anlage investieren.
Verwaltung und Organisation von Bau und Betrieb
Solarkraftwerke sind für den Betrieb von mindestens 20 Jahren ausgelegt.
Bei solchen Zeiträumen ist nicht nur die Planung, sondern sind insbesondere der Betrieb, die Wartung und die Verwaltung zu professionalisieren und zuverlässig durchzuführen.
Dies sollte in Ermangelung anderer Akteure zunächst unter Regie der Verwaltung erfolgen, muss aber nicht vollständig und für alle Zeiten vollständig von ihr erledigt werden.
Per Dienstleistungsvertrag mit dem Investor wäre dann die Verwaltung oder ein von ihr Beauftragter befugt, sich mit der Planung, Errichtung, Versicherung, Betrieb, Wartung und Verwaltung zu befassen.
Der Betreiber muss dafür sorgen, dass alle Kraftwerke geplant, errichtet, betrieben, gewartet und verwaltet werden, und dies mindestens 20 Jahre lang.
Gesellschaftsrechtliche Aspekte
Für ein Bürgersolarkraftwerk ist die Gründung einer eigenen juristischen Gesellschaft nicht zwingend erforderlich.
Denkbar wäre auch ein Konzept, in dem jeder Investor -egal wie viele sich auf einer der betreffenden Kraftwerks-Fläche jeweils zusammen finden- Eigentümer und Inhaber seines eigenen Kraftwerks -allerdings auf fremder Fläche- ist und bleibt.
Die Bürgersolarkraftwerke bzw. deren Investoren bilden also nicht zwingend eine eigene bzw. gemeinsame Rechtsperson.
Die Verwaltung oder ein von ihr Beauftragter plant, errichtet, betreibt, wartet und verwaltet im Auftrag der Investoren deren eigenes Bürgersolarkraftwerk.
Makler- und Notardienste
Eine wichtige Aufgabe wäre vor allem zu Beginn der Maßnahme, eine vielseitige und nützliche Plattform (Internet, Tageszeitung, sonstige Fachzeitschriften) für Interessierte einzurichten, die sich an einem Solarkraftwerk, z.B. aus überwiegend umweltpolitischen Gründen beteiligen wollen.
Für die Zukunft wird mit den interessierten Menschen ein Dienstleistungsvertrag abgeschlossen.
Außerdem gibt es die entsprechenden Verträge mit dem Grundeigentümer, dem Netzbetreiber und der Versicherung.
Die angebotenen Fläche würden öffentlich, z.B. per Internet mit einem kurzen Exposé vorgestellt werden.
Neben einer Beschreibung sollten auch Bilder zu sehen sein, die interessierten Investoren eine Vorstellung über die Lage und Beschaffenheit der Fläche geben.
Über eine WebCam wäre die Anlage später ständig über das Internet zu besichtigen.
Wirtschaftliche und finanzielle Aspekte
Das Bürgersolarkraftwerk ergibt sich letztendlich als Summe vieler einzelner Solarkraftwerke, die sich auf einer Fläche unter einer Regie als Zufallsgemeinschaft zusammengefunden haben.
Die aus der Einspeisungsvergütung zufließenden Gelder sollen nach Abzug von Verwaltungskosten den Beteiligten im Anteil Ihrer Einlage jährlich zurückfließen.
Der kleinste Anteil könnte z.B. 1.000 € sein, um auch so möglichst vielen Menschen die Teilhabe an einem Bürgersolarkraftwerk zu ermöglichen.
Die Maximierung einer Rendite soll dabei nicht im Vordergrund stehen.
Selbstverständlich soll ein angemessener Rückfluss des eingesetzten Kapitals erfolgen.
Die Refinanzierung des Projektes und der Verwaltungskosten des Landkreises Peine könnte anteilig aus dem Rückfluss über die Vergütung nach EEG (Energieeinspeisungsgesetz) erfolgen.
Eine Anschubfinanzierung des Projektes müsste allerdings vom Landkreis Peine erfolgen.
Technische Aspekte
In einer Bürgersolaranlage wird die Investitionsbereitschaft Vieler gebündelt.
Mit schätzungsweise 250.000 € könnte eine Kollektor-Fläche von 550 bis 600 qm auf einem Dach errichtet und betrieben werden.
Diese Anlage würde allerdings nicht als herausragendes Leuchtturmprojekt bezeichnet und genutzt werden können.
Interessanter wäre es vielmehr, wenn eine Bürgersolaranlage zusätzlichen Nutzen, neben der Erzeugung von Strom auf regenerativer Basis stiften könnte.
Die Verwaltung wird beauftragt einen geeigneten Standort für eine große Anlage, die vom Volumen ca. 20.000 qm (2 ha) zu prüfen. Das erforderliche Investitionsvolumen wird vorsichtig geschätzt bei 4,5 bis 5 Mio. Euro liegen und müsste durch Aquisition und Management professioneller und darauf spezialisierter Agenturen national eingesammelt werden. Als Standorte kommen mithin nur große Flächen in Betracht, z.B. auf Deponien oder Industrieflächen.
Es wird vorgeschlagen, den weiteren Fokus auf eine entsprechende Großanlage zu richten und damit ein zusätzliches Leuchtturmprojekt und „Alleinstellungsmerkmal“ für den Landkreis Peine, auch überregional zu setzen
Vision:“Aufbruch vor Ort ins solare Zeitalter : Global denken lokal handeln!“
Zusammenfassung
Ein "Bürgersolarkraftwerk Peiner Land" wäre die geeignete Plattform für potenzielle private Investoren im Peiner Land sich an einem derartigen Projekt zu beteiligen.
Ein "Bürgersolarkraftwerk Peiner Land" würde Kontakte schaffen und helfen, die ersten Schritte zur Beteiligung möglichst vieler Menschen an einer öffentlichen Photovoltaik-Anlage im Landkreis Peine so einfach wie möglich zu gestalten.
Die Verwaltung des Landkreises Peine soll daher beauftragt werden die Einrichtung und den Betrieb eines markanten und herausragenden "Bürgersolarkraftwerkes Peiner Land" vorzunehmen und die vorbereitendem Maßnahmen zu ergreifen.
Mit den vorbereitenden Arbeiten zur Klärung der Form der Bürgerbeteiligung, der Machbarkeit und des Managements der Bürgersolaranlage, des Finanzbedarfes und den Möglichkeiten der Finanzierung, sowie weiterer Einzelheiten, wie der Dimensionierung, der Lage, der Anschlussmöglichkeiten, verwaltungsorganisatorischer Aspekte etc. soll unverzüglich begonnen werden.
Die hierfür erforderlichen Mittel werden aus dem Klimaschutzfonds ( z.Zt. dotiert mit 150.000 € bei FB 2) bereitgestellt.
[1] Die Umweltbundesamt-Studie zum Umweltbewusstsein ist eine im Zwei-Jahres-Rhythmus durchgeführte Repräsentativbefragung, die langfristige Trends in der Entwicklung des Umweltbewusstseins sowie aktuelle umweltpolitische Themen zum Gegenstand hat. Sie wird von einer Forschergruppe der Philipps-Universität Marburg in Kooperation mit dem TNS Emnid-Institut durchgeführt.
Kontakt Prof. Dr. Udo Kuckartz / Institut für Erziehungswissenschaft / Philipps-Universität Marburg / D-35032 Marburg
2006@umweltbewusstsein.de / www.umweltbewusstsein.de
[2] Prof. Kuckartz; in einem Vortrag, gehalten am 31.01.2005 in Marburg, Philipps-Universität Marburg