Vorlage - 2015/068
|
|
Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2015 ist von der CDU-Kreistagsfraktion ein Engagement des Landkreises Peine für verletzte Kinder aus Kriegsgebieten angeregt worden. Im September 2014 gab es dazu ein Sondierungsgespräch zwischen Herrn Fechner (CDU-Kreistagsfraktion) und Herrn Junge (Klinikum Peine), in dem die grundsätzliche Bereitschaft des Klinikums zu humanitärer Hilfe (weitestgehend kostenfreie Operationen) in bis zu 5 Fällen vorbehaltlich einer noch ausstehenden Gremienbeteiligung des Klinikums durch Herrn Junge in Aussicht gestellt wurde.
Nach aktuellen Recherchen und Gesprächen kann wie folgt berichtet werden:
Allgemeine Erwägungen
- Zumindest bei einer Internetrecherche konnte kein Beispiel dafür gefunden werden, dass ein Landkreis (oder eine Gemeinde bzw. Stadt) humanitäre Hilfeleistungen für Menschen aus Kriegsgebieten erbringt. Tatsächlich ist auch fraglich, inwieweit ein derartiges Engagement von den Vorgaben des Nds. Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) abgedeckt ist. Zu nennen sind hier beispielsweise
- § 1 I NKomVG (Die Gemeinden, die Samtgemeinden, die Landkreise und die Region Hannover (Kommunen) verwalten ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung mit dem Ziel, das Wohl ihrer Einwohnerinnen und Einwohner zu fördern.), oder auch
- § 4 S. 2 NKomVG (Sie stellen in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die für ihre Einwohnerinnen und Einwohner erforderlichen sozialen, kulturellen, sportlichen und wirtschaftlichen öffentlichen Einrichtungen bereit.).
- Bei Leistungen für verletzte Kinder aus Kriegsgebieten fehlt der unmittelbare Bezug zu den Einwohnerinnen und Einwohnern des Landkreises, der im Zusammenhang mit den Aufgaben der Kommunen im NKomVG doch sehr betont wird. Es mag so sein, dass beispielsweise ein erzielter Imagegewinn oder schlicht die Erfüllung des menschlichen Bedürfnisses (auch der Einwohnerinnen und Einwohner des Landkreises) zu praktizierter Nächstenliebe einen ausreichenden Bezug zu den Einwohnerinnen und Einwohnern des Landkreises darstellen. Diese vorläufige Einschätzung sollte jedoch rechtlich abgesichert werden, soweit nennenswerte Ausgaben durch den Landkreis für humanitäre Hilfe geplant werden.
- Zumeist sind derartige Hilfeleistungen eher angesiedelt bei Wohlfahrtsverbänden, gemeinnützigen Vereinen, Kinderhilfsorganisationen usw. Beispielhaft genannt werden kann hier die Kinderhilfsorganisation Friedensdorf International mit Sitz in Oberhausen, die aus einer im Jahr 1967 gegründeten Bürgerinitiative hervorgegangen ist und mit deren Hilfe mittlerweile Jahr für Jahr ca. 1.000 verletzte oder kranke Mädchen und Jungen medizinisch behandelt werden können. Nähere Informationen: www.friedensdorf.de
Handlungsmöglichkeiten Landkreis Peine
- Hier in Niedersachsen gibt es den gemeinnützigen Verein „Luftbrücke Irak e.V.“ mit Sitz in Osnabrück. Der Vorstandsvorsitzende ist Herr Mirza Dinnayi, ein Arzt mit Wohnsitz in Hannover und gleichzeitig tätig als Berater des kurdischen Präsidenten Masud Barzani, wodurch er viele Kontakte im Irak hat. Der Verein ist seit sieben Jahren dabei, verletzte Kinder aus dem Irak nach Deutschland zu bringen, sich hier um medizinische Versorgung zu kümmern und die Kinder anschließend in ihre Heimat zurückzubringen.
- Es wurde durch den Fachdienst Soziales (Herrn Schröter) mit Herrn Dinnayi Kontakt aufgenommen und ihm die Bereitschaft des Klinikums Peine signalisiert, möglicherweise einige kostenlose Operationen durchzuführen. Ferner wurde er gebeten, beispielhaft einen Fall zu schildern und dabei auch darauf einzugehen, welche Leistungen sein Verein erbringen könnte und welche Leistungen nicht.
- Herr Dinnayi hat daraufhin den Fall eines 15-jährigen irakischen Jungen geschildert. Seine gesamte Familie wurde von Terroristen getötet und er selbst hat den Angriff mit einer Schussverletzung in der Wirbelsäule überlebt, die im Irak nicht operiert werden kann, in Deutschland aber schon. Der Verein Luftbrücke Irak e.V. würde sich um Hin- und Rückflug sowie um eine Gastfamilie für den Jungen während des Aufenthalts in Deutschland kümmern, einschließlich der insoweit entstehenden Kosten.
- Im persönlichen Gespräch hat sodann Herr Junge (Klinikum Peine) die grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, dass der irakische Junge in Peine operiert werden kann. Im Detail sind noch einige nähere Informationen zur Verletzung des Jungen erforderlich, die Herr Dinnayi beschaffen und zur Verfügung stellen wird. Wenn es auch unter Berücksichtigung dieser Informationen dabei bleibt, würde das Klinikum Peine lediglich „hochpreisige Sachkosten“ in Rechnung stellen, soweit solche anfallen, ansonsten keine Rechnung stellen.
- Herr Dinnayi hat für diesen konkreten Fall auch einen Sponsor aus Peine (Salvatore Padula) an der Hand, der evtl. anfallende hochpreisige Sachkosten übernehmen würde.
- Derzeit ist Herr Dinnayi wieder im Irak. Die weitere Planung ist, einen Gesprächstermin für den Monat Mai 2015 zu vereinbaren, um mit ihm und dem Klinikum Peine in die konkrete Planung einzusteigen. Die Operation des irakischen Jungen könnte dann evtl. im Mai oder Juni 2015 hier in Peine erfolgen. Der Beitrag des Landkreises Peine wäre dann nach derzeitigem Stand nicht finanzieller Art, da gar keine Restkosten entstehen werden, sondern lediglich die Anbahnung des Kontaktes zwischen dem Klinikum Peine und dem Verein Luftbrücke Irak e.V.
- Es wird vorgeschlagen, diesen konkreten Fall exemplarisch weiter zu begleiten und so eine erste Erfahrung zu sammeln, was aufgrund der voraussichtlich komplett anderweitig gedeckten Kosten kein Problem sein sollte. Soweit sich die Zusammenarbeit bewährt, wird vorgeschlagen, im Gespräch mit dem Klinikum Peine und dem Verein Luftbrücke Irak e.V. zu bleiben und weitere Fälle (Dinnayi: „Fälle gibt es immer wieder, ich könnte hier und heute sofort 10 weitere Fälle nennen.“) zu begleiten. Dafür ist zu klären, inwieweit der Landkreis Peine in anderen Fällen auch bereit ist, Kosten zu übernehmen, die weder das Klinikum Peine noch der Verein Luftbrücke Irak e.V. tragen werden (s.o., ggf. anfallende hochpreisige Sachkosten, also z.B. Kosten für Prothesen o.ä.).
Komplett anders gelagert ist der Fall der Familie, die auf private Initiative des Peiners Davudili (vgl. PAZ vom 27. Februar 2015) nach Peine gekommen ist. Der Familienvater hat ein Bein verloren und benötige ebenfalls dringend medizinische Hilfe, die er im Klinikum Peine auch bekommen hat. Der Unterschied ist, dass die Familie Flüchtlinge sind, die in Peine verbleiben werden und deren Aufenthaltsstatus es ermöglicht, Leistungen nach dem SGB II zu beziehen. Dazu gehört auch die Anmeldung in einer Krankenversicherung, so dass die medizinische Hilfe im Klinikum Peine am Ende ganz gewöhnlich mit der zuständigen Krankenkasse abgerechnet wurde bzw. wird.
Anlage:
Flyer des Vereins Luftbrücke Irak e.V., entnommen aus www.luftbruecke-irak.de
Anlagen: | |||||
Nr. | Name | ||||
1 | Flyer_Luftbrücke Irak (334 KB) |