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Vorlage - 2015/003  

Betreff: Leitlinien zur Prävention von Kinderarmut und zur Linderung der Folgen von Kinderarmut
Status:öffentlichVorlage-Art:Beschlussvorlage
Federführend:Fachdienst Jugendamt Bearbeiter/-in: Sorge, Annett
Beratungsfolge:
Jugendhilfeausschuss
27.01.2015 
Jugendhilfeausschuss ungeändert beschlossen   
Kreisausschuss
Kreistag des Landkreises Peine
11.03.2015 
Kreistag des Landkreises Peine ungeändert beschlossen   

Beschlussvorschlag
Sachverhalt
Anlage/n

Die Leitlinie zur Prävention von Kinderarmut und zur Linderung der Folgen von Kinderarmut wird beschlossen.


Im JHA und im KA (Vorlage 181/2014) wurde am 2. bzw. 3. Dezember 2014 das Thema „Kinderarmut – Auswirkungen, Folgen, Maßnahmen“ erörtert. Darauf wird im Folgenden Bezug genommen. Es wurden u.a. die Einrichtung eines Netzwerkes ’Kinderarmut‘ sowie die Entwicklung einer Leitlinie beschlossen.

 

Armut bei Kindern ist eine komplexe Herausforderung, denn (Kinder)Armut und soziale Ausgrenzung sind vielschichtig und haben viele Gesichter. Die Benachteiligung eines Kindes kann sich materiell äußern, durch die Gefährdung der Grundversorgung (Wohnung, Kleidung, Nahrung), sozial durch mangelnde Chancen, soziale Kompetenzen und Kontakte zu entwickeln, gesundheitlich (physisch und psychisch) und kulturell durch schlechte Zugänge zu Bildung und sprachlicher und kognitiver Entwicklung. Nicht selten ist die Lebenslage eines armutsbetroffenen Kindes durch multiple Deprivation gekennzeichnet.

 

Eine kindbezogene Armutsprävention zielt darauf ab, armen Kindern jene Entwicklungsbedingungen zu eröffnen, die ihnen ein Aufwachsen im Wohlergehen ermöglichen; dabei sind immer gleichzeitig die Eltern mit im Blick zu haben, bzw. mit zu unterstützen. Denn Kinderarmut ist immer auch Familienarmut.

 

Die Prävention von armutsbetroffenen und armutsgefährdeten Mädchen, Jungen und Jugendlichen muss dabei zwei Ebenen miteinander verknüpfen: die strukturelle Absicherung (armutsfeste Grundsicherung, Präventionsketten) und die individuelle Förderung und Stärkung. Nicht nur materielle Armut, sondern besonders auch Armut im Sinne unzureichender Teilhabe ist daher entschlossen auf kommunaler Ebene anzugehen.

 

Eine zunehmende Bedeutung wird dem Ausbau tragfähiger Strukturen zukommen. Klar ist, Armutsprävention ohne die Kooperation Vieler ist nicht möglich. Dafür ist das Netzwerk ‘Kinderarmut‘ vorgesehen. Eine Nachhaltigkeit des Netzwerkes ist wichtig, um der Vielschichtigkeit von Armut und den daraus resultierenden unterschiedlichen Handlungsebenen gerecht zu werden. In dem Netzwerk sollen unter Federführung des Jugendamtes, Empfehlungen an die Politik gegeben und konkrete Projekte entwickelt werden.

 

Die hier vorgelegte Leitlinie soll die Grundzüge für das weitere Handeln zur Prävention und zur Linderung der Folgen von Kinderarmut im Landkreis aufzeigen; sie soll Orientierung bieten und einen Rahmen setzen für die Arbeit des Netzwerks und für die kommunalen Akteurinnen und Akteure; ferner soll sie eine Plattform für Förderschwerpunkte bieten.

 

Über mehrjährige Erfahrung in diesem Arbeitsfeld verfügt der Landschaftsverband Rheinland mit seiner Koordinationsstelle Kinderarmut. Die hier vorgelegte Leitlinie lehnt sich an die jugendpolitische Agenda des Landschaftsverbandes Rheinland an.

 

 

 

 

 

 

 

 

Leitlinie zur Prävention von Kinderarmut und zur Linderung der Folgen von Kinderarmut

- Strategien für das Aufwachsen im Wohlergehen –

 

Präambel

 

Armut bedeutet für Mädchen, Jungen und Jugendliche mehr als das Leben in einer einkommensarmen Familie. Gesundheitliche Benachteiligung sowie fehlende Teilhabemöglichkeiten an Bildung, Kultur, Sport und Freizeitaktivitäten sind häufig Folgen von Armut. Der Landkreis Peine verfolgt das Ziel, Teilhabegerechtigkeit und gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder zu schaffen, unabhängig von der wirtschaftlichen Situation der Eltern oder anderen benachteiligenden Faktoren. Die Leitlinie stellt dabei einen wichtigen Schritt dar, um die Rahmenbedingungen für die kindheitsbezogene Armutsprävention zu verbessern und sie markiert Grundzüge für ein Aufwachsen im Wohlergehen.

 

  1. Sensibilisierung für Kinderarmut

 

Sensibilisierung für Kinderarmut bedeutet, Kinderarmut wahrzunehmen und sie in das Denken und die Handlungen von Politik, Verwaltung, Kindertagesstätten, Schulen, sozialen Einrichtungen und schon bestehenden Netzwerken einfließen zu lassen.

 

  1. Soziale Teilhabe sicherstellen

 

Jedem Kind muss zu seiner Entfaltung die Möglichkeit der sozialen Teilhabe gegeben werden. Die Teilnahme an schulischen und außerschulischen Aktivitäten, z.B. an Sport oder kulturellen Angeboten, darf nicht am Familieneinkommen scheitern. Um Kinder vor Armutsrisiken zu schützen, soll es  - über die im Bildungs- und Teilhabepaket enthaltenen Leistungen hinaus – in Vereinen und anderswo niedrigschwellige Angebote mit Teilhabechancen für Eltern und Kinder geben.

 

  1. Frühe Förderung – Angebote für alle

 

Die frühe Förderung für Familien und die frühen Hilfen haben positive Wirkungen für die Armutsprävention; sie stellen ein Angebot für alle Kinder und deren Eltern dar. Inhaltliche Schwerpunkte sind u. a., die Familienzentren mit einer Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern, die Elterncafés sowie die Babybegrüßungsbesuche und –pakete. Die frühen Hilfen bieten erweiterte Möglichkeiten des sozialen Lernens; sie fördern auch die unterschiedlichen sprachlichen, motorischen, kreativen, emotionalen, psychischen und geistigen Fähigkeiten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. Bildung ermöglichen

 

Bildung ist ein entscheidender Baustein bei der Prävention von Kinderarmut. Die frühkindliche Bildung und Erziehung, der Besuch von Kindertagesstätten und der gelungene Übergang in die Grundschule sind wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Schullaufbahn. Bildungsstätten müssen so ausgestattet sein, dass Kinder und Jugendliche individuell gefördert, leistungsbezogen gefordert und zu einem qualifizierten Schulabschluss geführt werden. Jedes Kind und jeder Jugendliche soll seine Entwicklungspotenziale ausschöpfen können. Die Eltern erhalten in ihrem Bemühen, das Aufwachsen ihrer Kinder gut zu bewältigen, bei Bedarf Unterstützung.

 

  1. Jugendliche ins Erwerbsleben begleiten

 

Von Armut betroffene Kinder bedürfen häufig in besonderer Weise der Ermutigung, der Unterstützung und Begleitung für ihre Berufsorientierung. Diese Begleitung und Unterstützung muss im Schulkontext beginnen und weit darüber hinausgehen. Dafür werden dauerhafte und verlässliche Strukturen für den Prozess der Berufsfindung und für die Organisation der Übergänge von der Schule in den Beruf benötigt.

 

  1. Gesundheit fördern

 

Bewegung spielt für die gesunde Entwicklung von Kindern eine zentrale Rolle. Über Bewegung entwickeln Kinder Lebenskompetenzen. Die Schuleingangsunter-suchungen sowie die Untersuchungen der 4-jährigen im Kindergarten weisen immer wieder auf motorische Probleme und auf Bewegungsauffälligkeiten, auch auf adipöse Kinder, hin. Als Risikofaktoren werden in den jährlichen Berichten Erwerbslosigkeit und Bildungsferne benannt.

 

Gesundheitsfördernde, integrative und inklusive Bewegungsangebote zur vielseitigen, ganzheitlichen Bewegungsförderung von Kindern im Vorschul- und Grundschulalter sollen in Kooperation mit dem Kreissportbund Peine und seinen Sportvereinen auf- und ausgebaut werden.

 

Auch eine bewegungsanregende Planung und Gestaltung des öffentlichen Raumes trägt dazu bei, das Thema Gesundheit im Bewusstsein von Kindern und Familien zu verankern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  1. Kein Kind ohne Mahlzeit – Essen für jedes Kind

 

Jedes Kind soll die Möglichkeit haben, in der Kindertagesstätte und in der Schule am Mittagessen teilzunehmen. Das Bildungs- und Teilhabepaket sowie darüber hinaus ein unbürokratisches Handling über einen Schulfonds oder über die Bürgerstiftung sichern und ermöglichen dies.

 

  1. Beteiligung von Mädchen, Jungen, Jugendlichen und deren Eltern

 

Mädchen, Jungen, Jugendliche und deren Familien sind Experten in eigener Sache. Der Dialog ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilhabe. Armutsbetroffene und armutsgefährdete Kinder und Jugendliche sind bei Planungen und Vorhaben, die sich aus dieser Leitlinie ergeben, in angemessener Weise zu beteiligen. Dazu müssen die vorhandenen Beteiligungskonzepte überprüft und weiterentwickelt werden.