Vorlage - 2014/117
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Das Thema Zuwanderung wird derzeit wieder auf allen Ebenen diskutiert, wobei der Aspekt der Integration den Schwerpunkt bildet. Auch im Landkreis Peine ist die Beschäftigung mit der Integration von Migrantinnen und Migranten nicht neu. Nachdem im Jahre 2007 mit dem Integrationsbericht eine Diskussionsgrundlage geschaffen wurde, die im Jahre 2008 durch ein Integrationsmonitoring modifiziert wurde, wurde die neu entflammte Diskussion zum Anlass genommen, eine Aktualisierung vorzunehmen. Das Ergebnis ist dieser Vorlage als Anlage beigefügt.
Da es sich bei dem nun vorgelegten Monitoring um die Aktualisierung eines vorhandenen Berichts handelt, wurden die gleichen Kennzahlen wie im Jahre 2008 verwendet. Die ausschließlich männliche Form der Kennzahlen basiert auf der Übernahme des Sets, dessen Originalquelle nicht gendergerecht formuliert ist. Warum die Verfasserin von der Bertelsmann-Stiftung diese Vorgehensweise gewählt hat, kann von hier nicht beantwortet werden. Da die Übernahme der Kennzahlen einer Zitierung gleichkommt, muss nach den Regeln der Zitierweise die männliche Form übernommen werden. Die vor dem Hintergrund der Daten getroffenen Aussagen gelten jedoch, sofern keine Unterscheidung der Geschlechter stattfindet, sowohl für die männliche als auch für die weibliche Form.
Damals wie heute gilt jedoch, dass die Kennzahlen der Bertelsmann-Stiftung wie alle übrigen existierenden Indikatorensets nur eine eingeschränkte Aussagekraft haben, da Integration eine Folge von Verhalten der zu integrierenden Person einerseits wie der Aufnahmegesellschaft andererseits ist, während die Kennzahlen konkrete Ergebnisse messen. So gibt beispielsweise die Anzahl der gemischt-nationalen Eheschließungen (Kap. 2.3.2, Kennzahl 3 auf S. 32) nur genau das wieder, nämlich die Anzahl an Eheschließungen zweier Menschen unterschiedlicher Nationalität, was aber keine gesicherten Aussagen zum Stand der Integration zulässt, etwa zur Akzeptanz der Gleichberechtigung der Geschlechter.
Abgesehen von dem nicht immer unproblematischen Aussagewert der Kennzahlen sind zudem bei der Datenerhebung weitere Probleme aufgetreten: Zum einen sind auch nach sieben Jahren nicht alle Daten verfügbar, so dass nicht zu jeder Kennzahl eine Entwicklung dargestellt werden kann (z.B. Kap. 2.2.1, Kennzahl 6 auf S. 24). Des Weiteren sind als Folge der Volkszählung 2011 bei den Ergebnissen Plausibilitätsprobleme aufgetreten, die vom Landesamt für Statistik Niedersachsen gelöst werden mussten, bevor die Zahlenreihen publiziert worden sind. Angesichts des vorgegebenen Bearbeitungszeitraumes für die Aktualisierung des Integrationsmonitorings hat das dazu geführt, dass teilweise nur Daten per 31. Dezember 2012 verfügbar waren. Zwar wurde bis zuletzt gehofft, dass sich daran etwas ändern würde, weshalb für das Jahr 2013 vorsorglich Zeilen eingefügt wurden (vgl. exemplarisch Kap. 2.1, Kennzahl 1 auf S. 7), aber leider wurde diese Hoffnung enttäuscht.
Ein weiteres großes Problem stellte die Bereitschaft externer Datenquellen zur Bereitstellung von Daten dar. Offensichtlich besteht bei einigen Institutionen die Sorge, dass „Zuwanderung insgesamt durch eine unsachliche Debatte in ein schlechtes Licht gerückt wird. Dann werden einseitig Probleme betont, während die vielen bereichernden Aspekte zu kurz kommen. Wichtig sind deshalb Informationen, mit denen man möglichen stereotypen oder gar diskriminierenden Äußerungen begegnen kann“ (Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung in einer E-Mail an den Landkreis Peine, desgl. telefonische Aussage des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge). Angesichts dieser Einstellung erfolgt offensichtlich eine Wiedergabe von Daten nur dann, wenn der ‚bereichernde Aspekt‘ unterstrichen oder nicht gefährdet wird. Das hat zur Folge, dass etwaig Probleme im organisatorischen Bereich nicht erkannt und abgestellt werden können (z.B. ungünstige oder fehlende Verbindungen im Öffentlichen Personennahverkehr, ungünstige oder fehlende Möglichkeiten der Kinderbetreuung usw. bezüglich Kap. 2.3.1, Kennzahl 2 auf S. 30 f.).
Trotz der vorstehend skizzierten Probleme und Schwächen stellt die nun vorgelegte Fassung des Integrationsmonitorings die zum Stichtag vorliegenden aktuellen Daten des vorgegebenen Kennzahlenkatalogs dar. Obwohl angesichts der vorstehend genannten Schwierigkeiten aus ihnen kein optimaler Nutzwert gezogen werden kann, besteht sehr wohl ein Nutzwert, der als Grundlage für die politische Diskussion bezüglich der Integration im Landkreis Peine dienen kann.
Die Ergebnisse des Monitorings sind in vielerlei Hinsicht überraschend, weil sie nicht zur Diskussion und der ‚gefühlten‘ Integration passen. Bezeichnend ist dafür der Anteil der ausländischen Bevölkerung im Landkreis Peine, der im Jahre 2012 um rund ein Sechstel niedriger als im Jahre 1999 liegt. Anders als der in der öffentlichen Diskussion erweckte Eindruck ist der Anteil im Landkreis Peine im langfristigen Vergleich rückläufig (vgl. Kap. 2.1, Kennzahl 3 auf S. 9). Diese Entwicklung kann nicht auf eine gestiegene Anwendung der Einbürgerung zurückgeführt werden (wegen Kap. 2.1, Kennzahl 10 auf S. 13).
Auch die Vermutung, dass Familien mit Migrationshintergrund kinderreich seien, wird durch die Daten widerlegt, da gerade der Anteil der Kinder im Alter von 0 bis unter fünfzehn Jahren im Langzeitvergleich (1999 bis 2012) beständig gesunken ist. Lediglich die Personengruppe ab 65 Jahren nimmt zu, aber das ist ein normaler demografischer Prozess, da die erste Generation von Migrantinnen und Migranten nunmehr die Altersgruppen durchlaufen und die letzte Altersgruppe erreicht hat (vgl. Kap. 2.1, Kennzahl 4-7 auf S. 10).
Eine in der Diskussion ebenfalls häufig gehörte Behauptung ist die Aufenthaltsdauer von Ausländern/-innen, die als ‚sehr hoch’ eingeschätzt wird. Tatsächlich ist der Anteil der ausländischen Personen im Landkreis Peine mit mindestens achtjährigem Aufenthalt im Jahre 2013 zwar etwas höher als 2004, aber in den Jahren 2005 bis 2012 lag der Wert über dem des Jahres 2013. Tatsächlich ist der Anteil der Personen mit mindestens achtjährigem Aufenthalt seit dem Jahre 2010 rückläufig (vgl. Kap. 2.1, Kennzahl 11, S. 14).
Bezüglich des Bildungsbereiches liefert das Monitoring ebenfalls interessante Ergebnisse: Dabei wird das Vorurteil, ausländische Kinder würden die Tageseinrichtungen dominieren, ebenso wenig bestätigt (vgl. Kap. 2.2.1, Kennzahl 2 auf S. 18 f.) wie das Vorurteil, dass Kinder von Migranten/-innen häufiger Förderschulen besuchen würden (vgl. Kap. 2.2.1, Kennzahl 3 auf S. 20 f). Auch die Aussage, dass ausländische Kinder zunehmend ohne Hauptschulabschluss die Schule verließen, wird nicht bestätigt (vgl. Kap. 2.2.1, Kennzahl 5 auf S. 23). Gleichwohl ist der Rückgang des entsprechenden Anteils von 25,37 Prozent im Jahre 2000/2001 auf 18,64 Prozent im Jahre 2012/2013 nur ein Schritt in die richtige Richtung, denn der aktuelle Wert ist zweifelsfrei noch sehr hoch und verbesserungsfähig.
Bezüglich der Arbeitslosigkeit ist die Quote der Ausländer/innen im Jahre 2013 zwar immer noch sehr hoch, aber im Vergleich zum Jahre 2006 hat sie sich mehr als halbiert. Zudem hat eine Annäherung zur Arbeitslosenquote aller abhängig Beschäftigten zivilen Erwerbspersonen stattgefunden (vgl. Kap. 2.2.2, Kennzahl 7 auf S. 24). Das bedeutet, dass sich die Entwicklungen zwar angleichen, aber die Gefahr, von Arbeitslosigkeit betroffen zu werden, für Ausländer/innen noch immer sehr hoch ist. Das dürfte auch als Erklärung für die ungünstige Entwicklung des Anteils von Ausländern/-innen im ALG-II-Bezug (vgl. Kap. 2.2.3, Kennzahl 9 auf S. 26) sein, was sich auf die Kinder auswirkt (Kap. 2.2.3, Kennzahl 10 auf S. 27).
Da die Beherrschung der Sprache der Aufnahmegesellschaft eine wichtige Grundlage für Integration ist, erstaunt der hohe Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund und Sprachförderung (Kap. 2.3.1, Kennzahl 1 auf S. 29), da es sich hier um die vierte Generation handelt. Anderseits ist die hohe Bereitschaft zur Inanspruchnahme von Sprachförderung positiv zu sehen.
Die politische und gesellschaftliche Integration ist schwer zu messen, da in vielen Bereichen der Mensch und nicht seine Nationalität bzw. der Migrationshintergrund auf Grund der ausländischen Nationalität der Vorfahren im Vordergrund steht. Das macht beispielsweise in der Politik (vgl. Kap. 2.4, Kennzahl 1 auf S. 33) und in der Verwaltung (vgl. Kap. 2.5.1, Kennzahl 1 bis 3 auf S. 34 ff.) das Erfassen von Menschen mit Migrationshintergrund schwierig. Allerdings ist gerade das ein Zeichen von Integration und ein beständiges Betonen oder Gewichten des Migrationshintergrundes könnte diskriminierend wirken.
Im Bereich des Indikators Wohnen zeigt sich eine unterschiedliche Verteilung der ausländischen Bevölkerung (vgl. Kap. 2.5.2, Kennzahl 4.1 bis 5 auf S. 36 ff.). Das dürfte bei genauerem Hinsehen mit dem (früheren) Bestand an Arbeitsplätzen in den Bereichen Peine und Ilsede (Stahlindustrie) und Lengede (Bergbau) korrespondieren, wenngleich diese Argumentation angesichts der abgebauten Arbeitsplätze langsam verschwimmen dürfte. Insoweit gewinnt eine weitere Fortschreibung des Monitorings an Gewicht.
Bei den Schuleingangsuntersuchungen hat sich die Anzahl der untersuchten ausländischen Kinder mehr als verdoppelt. In diesem Bereich ist also eine sehr positive Entwicklung im Gange, die jedoch noch verbessert werden kann.
Betrachtet man die soziale Problemlage ‚Hilfe zur Erziehung (Kap. 2.5.3, Kennzahl 7 auf S. 41), so kann keine besondere Problematik durch ausländische Kinder und Jugendliche erkannt werden. Im Bereich der Kriminalität sind im Landkreis Peine die Anteile ausländischer Personen entgegen vieler Stimmen in der Diskussion rückläufig, allerdings ist der Anteil bei den Körperverletzungen hoch (Kap. 2.5.3, Kennzahl 8 auf S. 42 ff., hier: insbesondere S. 43).
Zusammenfassend kann also festgestellt werden, dass die im Rahmen des Integrationsmonitoring erzielten Ergebnisse nicht den Argumenten der integrationskritischen Stimmen entsprechen. Gleichwohl sind die Ergebnisse in einigen Bereichen noch verbesserungsfähig, aber grundsätzlich ist als Ergebnis auf Grund der Resultate der vorgegebenen Kennzahlen offensichtlich eine fortschreitende Integration zu verzeichnen.
Anlagen: | |||||
Nr. | Name | ||||
1 | TOP9_Integrationsmonitoring_Bericht 2014 (739 KB) |