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Vorlage - 2014/100  

Betreff: Anwendung des Niedersächsichen Tariftreue- und Vergabegesetzes;
Regelung zur umweltverträglichen Beschaffung und Berücksichtigung sozialer Kriterien
Status:öffentlichVorlage-Art:Informationsvorlage
Federführend:Vergabestelle Bearbeiter/-in: Becker, Angela
Beratungsfolge:
Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz
16.09.2014 
Ausschuss für Umwelt- und Verbraucherschutz ungeändert beschlossen   
Ausschuss für Gleichstellung, Arbeit und Soziales
29.09.2014 
Ausschuss für Gleichstellung, Arbeit und Soziales ungeändert beschlossen   
Kreisausschuss

Sachverhalt
Anlage/n
Anlagen:
Formblatt _Berücksichtigung sozialer Kriterien_  
Formblatt _Berücksichtigung ökologischen Kriterien_  
Auswertung Umfrage  

Das öffentliche Beschaffungswesen mit einem geschätzten jährlichen Volumen von bis zu 480 Milliarden Euro befindet sich in einem tief greifenden Umbruch – nicht zuletzt aufgrund neuer gesetzlicher und politischer Vorgaben (neue Vergabegesetze mittlerweile in 13 Bundesländern). Ökologische und soziale Komponenten gewinnen dabei neben den klassischen haushaltsrechtlichen Kriterien an Bedeutung. Alle drei Dimensionen der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales – sollen möglichst in das Begriffsverständnis einer nachhaltigen Beschaffung der Kommunen einbezogen werden. Energieeffizienz, faire Löhne bei den Anbietern, bis hin zur Betrachtung der Lebenszykluskosten eines Produkts sind nur einige Beispiele für Themen, mit denen sich Beschaffungsverantwortliche im Rahmen einer nachhaltigen Beschaffungkünftig auseinandersetzen müssen.

 

So hat auch der Landtag des Landes Niedersachsen hat am 31. Oktober 2013 das Gesetz zur Sicherung von Tariftreue, Sozialstandards und Wettbewerb bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (Niedersächsisches Tariftreue- und Vergabegesetz – im folgenden NTVergG) beschlossen. Das neue Gesetz ist am 07.11.2013 im Niedersächsischen Gesetz- u. Verordnungsblatt veröffentlicht worden und am 1. Januar 2014 in Kraft getreten.

 

Das NTVergG findet Anwendung auf alle öffentlichen Aufträge über Bau-, Dienst- und Lieferleistungen – einschließlich Dienstleistungen im Bereich des ÖPNV – ab einem geschätzten Auftragswert in Höhe von 10.000 Euro ohne Umsatzsteuer. Ausgenommen sind ausdrücklich Auslobungen, Baukonzessionen sowie freiberufliche Leistungen.

 

Das NTVergG soll Verzerrungen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge entgegenwirken, die durch den Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme mildern (so u.a. durch die Verpflichtung zur Tariftreue u. Zahlung eines Mindestentgeltes), sowie die umwelt- und sozialverträgliche Beschaffung durch die öffentliche Hand fördern.

 

Bei den Regelungen des neuen Vergabegesetzes zur umweltverträglichen Beschaffung und Berücksichtigung sozialer Kriterien handelt es sich um sog. Kann-Vorschriften (vgl. Anlage §§ 10 u. 11). D.h. es liegt im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers, ob und in welchem Umfang er Aspekte umweltverträglicher Beschaffung (wie z.B. Lebenszykluskosten; Energieeffizienz; möglichst umweltfreundliche Technologie u.a.) und soziale Kriterien (wie z.B. die Beschäftigung von Auszubildenden oder schwerbehinderten Menschen; die Förderung der Chancengleichheit und Gleichstellung von Frauen und Männern) bei der Auftragsvergabe berücksichtigt.

 

Die Anforderungen an die Umweltverträglichkeit können sich dabei z.B. auf die Erstellung, Lieferung, Nutzung und Entsorgung der Gegenstände oder Leistungen beziehen und sind in der Leistungsbeschreibung zu benennen.

 

Praxisbeispiel 1 – Umweltfreundliche Verbrauchsmittel

Der Landkreis beabsichtigt Drucker zu beschaffen und sieht vor, Umweltanforderungen in der Leistungsbeschreibung festzulegen. Im Rahmen der Bedarfsanalyse wurde ermittelt, dass das Umweltzeichen „Blauer Engel, RAL-UZ 122“ die wesentlichen Aspekte enthält, die als Anforderung für die zu liefernden Drucker gewünscht sind, nämlich, dass z.B. sämtliche Tonermodule und -behälter sowie Tintenmodule so beschaffen sind, dass sie einer Wiederverwendung oder einer werkstofflichen Verwertung zugeführt werden können und Toner und Tinten keine Stoffe enthalten, die als gefährlich eingestuft sind. Die Kommune kann die Anforderungen in ihr Leistungsverzeichnis aufnehmen. Als Nachweis für die Einhaltung kann sie darauf hinweisen, dass dies durch Angebot von Druckern erfolgen kann, die das Umweltzeichen Blauer Engel, RAL-UZ 122 „oder gleichwertiger Art“ tragen.

Praxisbeispiel 2 - Energieeffizienz

Der Landkreis verweist im Rahmen einer Ausschreibung über Lieferung und Einbau von Raumklimageräten auf die beste Energieverbrauchsklasse anhand des EU Energie-Labels. Neben dem Preis wird die von den Bietern nachzuweisende Energieeffizienz mit 10% gewichtet.

Neben dem Wertungskriterium „Energieeffizienz“ weist der öffentliche Auftraggeber zudem darauf hin, dass auch andere Umweltschutz-Aspekte positiv gewertet werden und nennt hierfür die Wiederverwertbarkeit und eine einfache, umweltfreundliche Entsorgung des Produkts. Diese Aspekte gewichtet der öffentliche Auftraggeber zusätzlich mit 10%.

 

Praxisbeispiel 3 – Nachhaltiges Bauen

Im Rahmen des Baus einer Turnhalle wird vom Landkreis vorgegeben, dass die Trag- und Baukonstruktion in Holzbauweise auszuführen ist. Darüber hinaus wird festgelegt, dass sämtliche zum Einsatz kommenden Gipskartonplatten ausschließlich aus recyceltem Gips hergestellt sein dürfen.

 

Praxisbeispiel 4 - Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten auf der Ebene der Eignung:

Der Landkreis schreibt im Wege eines Offenen Verfahrens in mehreren Losen die Unterhaltsreinigung von Schulen, Sporthallen, und sonstigen öffentlichen Gebäuden europaweit aus. Er ist der Meinung, dass im Sinne einer nachhaltigen Umweltverträglichkeit, der Fachkundenachweis der beteiligten Unternehmen nicht allein durch mit dem Auftragsgegenstand vergleichbare Referenzen zum Ausdruck kommen sollte.

Als Mittel zum Nachweis der Erfahrung mit der umweltgerechten Beschaffung, Lagerung und Verwendung von Reinigungsmitteln, ist es sachlich gerechtfertigt, als Fachkundenachweises auf das Vorhandensein eines Umweltmanagementsystems im Unternehmen des Bieters abzustellen. Als Eignungskriterium kann daher eine Zertifizierung nach dem Europäischen Umweltmanagementsystem EMAS in die Bekanntmachung aufgenommen werden.

 

Fest steht zwischenzeitlich auch, dass mit einer umweltfreundlichen Beschaffung nicht unerhebliche Umweltentlastungseffekte erzielt werden können. Der Einkauf bzw. die Beschaffung umweltfreundlicher Produkte ist somit unmittelbar ökologisch nützlich und wegen des beträchtlichen Volumens der öffentlichen Beschaffung auch ein erheblicher Beitrag zur Verbesserung der Umweltqualität. Am Beispiel des Klimaschutzes hat das BMU in einer Studie nachgewiesen, dass sich die Hälfte der derzeit schon möglichen Einsparungen an CO2-Äquivalenten (12 Mio. Tonnen/pa) durch eine gezielte umweltfreundliche Beschaffung erreichen lassen.

 

Forderungen zur Berücksichtigung von sozialen Kriterien müssen dabei im Zusammenhang mit der Auftragsausführung stehen und dürfen zum Schutz der kleinen u. mittleren Unternehmen (KMU) nur an Unternehmen mit einer Mindestgröße von 20 Beschäftigten gestellt werden. Die ist so zu verstehen, dass die „Kopfzahlen“ der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem Unternehmen zu werten sind. Die Regelung differenziert weder nach dem Beschäftigungsvolumen noch nach den Tätigkeiten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es werden alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Unternehmens gezählt – unabhängig davon, ob diese teilzeitbeschäftigt sind bzw. welche Tätigkeit sie im Unternehmen jeweils wahrnehmen. Auszubildende, Praktikanten oder ehrenamtlich Tätige sind dagegen gerade keine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie können daher nicht zu den mindestens 20 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dazu gerechnet werden.

 

Das Gesetz enthält eine nicht abschließende Aufzählung von sozialen Kriterien (§ 11 Abs.2), die wesentliche soziale Anliegen des Gesetzgebers darstellen und im Sinne der Vorschrift geeignet erscheinen. Es ist damit aber auch möglich, abgestimmt auf den einzelnen Auftrag auch andere geeignete Kriterien als Anforderung an die Unternehmen zu stellen. Soziale Aspekte als Vergabekriterien sind unmittelbar auf die beteiligten Mitarbeiter zu beziehen; in jedem Fall aber auf Merkmale beschränkt bleiben sollten, die unmittelbare Auswirkungen auf die Beschäftigten haben.

 

Mit Bezug auf die in § 11 NTVergG aufgeführten Kriterien wurde jetzt von der Landesregierung ein Muster-Formblatt „Berücksichtigung sozialer Kriterien“ entwickelt und zur Verwendung durch die Vergabestellen vorgeschlagen; vgl. Anlage 2.  Auf Seite 1 werden die geforderten Kriterien von der Vergabestelle (in Abstimmung mit der jeweiligen Beschaffungsstelle) festgelegt. Auf Seite 2 erklärt der Bieter ob er die Forderungen bereits erfüllt oder dies künftig umsetzen wird.

 

Die neuen Vergabekriterien sind – soweit diese im Einzelfall mit den Vergabeunterlagen oder in Teilnahmewettbewerben gefordert werden - vergaberechtlich als auftragsbezogene Ausführungsbedingungen zu qualifizieren, die im Falle der Nichterfüllung durch das Bewerber- bzw. Bieterunternehmen zur Nichtberücksichtigung im weiteren Wettbewerb bzw. der Angebotswertung führt.

 

In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich betont, dass der öffentlichen Hand grundsätzlich eine Vorbildfunktion zukommt. Durch die Einbeziehung von sozialen Kriterien ebenso wie von Aspekten des Umweltschutzes trägt das Gesetz deshalb auch dazu bei, den Vorbildcharakter der öffentlichen Hand im Interesse wichtiger Gemeinwohlbelange wie Sozialverträglichkeit, Umweltschutz, Energieeffizienz und Innovation zu stärken. Gemäß § 17 NTVergG überprüft dieLandesregierung bis zum 31. Dezember 2015 die Auswirkungen dieses Gesetzes im Hinblick auf die Erreichung der gesetzlichen Zielsetzung eines fairen Wettbewerbs um öffentliche Aufträge sowie einer umwelt- und sozialverträglichen Beschaffung durch die öffentliche Hand.

Dazu sollen die Vergabestellen in Halbjahresschritten, beginnend zum 01.07.2014, bestimmte Daten bezüglich durchgeführter Vergabeverfahren an das Land übermitteln. In einer zweiten Stufe, ab 01.07.2015 sollen Vergabestellen u. Auftragnehmer ihre praktischen Erfahrungen im Umgang mit dem neuen Vergabegesetz äußern.

 

Hinweis zur Beachtung von ILO-Kernarbeitsnormen - § 12 NTVergG (vgl. Anlage 1)

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO-International Labour Organization) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Hauptsitz in Genf. Sie ist zuständig für die Formulierung und Durchsetzung internationaler Arbeits- und Sozialstandards. Die weltweit geltenden Mindeststandards sollen die Rechte bei der Arbeit und damit menschenwürdige Arbeit für alle Menschen auf der Welt sicherstellen (Verbot der Zwangs- u. Kinderarbeit und Schutz des Vereinigungsrechts, Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, Gleichheit des Entgelts).

 

Im Lichte ihrer Vorbildfunktion für eine faires und gerechtes Einkaufen auf dem Markt sollen daher öffentliche Auftraggeber Aufträge generell nur an solche Auftragnehmer vergeben, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichtet haben, den Auftrag ausschließlich mit Waren auszuführen, die nachweislich oder gemäß einer entsprechenden Zusicherung unter Beachtung der ILO Kernarbeitsnormen gewonnen oder hergestellt worden sind (z.B. nur Produkte die nicht aus Kinderarbeit stammen).

 

Eine der Ermächtigung in § 12 Abs.2 NTVergG entsprechende Verordnung zur konkreten Berücksichtigung der ILO-Kernarbeitsnormen in Vergabeverfahren, wird derzeit für bestimmte sensible Produktkategorien (wie z.B. Büromaterialien die Rohstoffe wie Holz u. Kautschuk enthalten, Natursteine, Hardware der Informations- u. Kommunikationstechnologie u.a. mehr)  von der Landesregierung erarbeitet und voraussichtlich im ersten Halbjahr 2014 in Kraft treten können.

Bis dahin ist die Vorschrift nicht anzuwenden.

 

Auswirkungen im Hinblick auf einen damit einhergehenden Mehraufwand

(finanziell/personell) für die Dienststellen der Kreisverwaltung können derzeit nicht konkret ermittelt und beziffert werden. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass im Rahmen der Anwendung der besonderen Vergabevorschriften des NTVergG bei der Durchführung künftiger Vergabeverfahren insgesamt ein Mehraufwand in der Kreisverwaltung entsteht (so bei der Verfahrensabwicklung in der Vergabestelle, den Vergabeprüfungen durch das RPA) . Zur Abdeckung des Mehraufwandes werden nach derzeitiger Einschätzung jedoch keine zusätzlichen Ressourcen benötigt.

 

Zudem ist seitens der Zentralen Vergabestelle u. des IWB die Erstellung eines Leitfadens (Ökologische Beschaffung) für die Kreisverwaltung angedacht. Diese Handlungsrichtlinie soll dazu dienen, die Fachdienste bei der Vergabebeurteilung zu unterstützen und dadurch dort grundsätzlich keinen messbaren und kostenrelevanten Mehraufwand auszulösen; von möglichen Sonderfällen abgesehen.

 


 

Anlagen:  
  Nr. Name    
Anlage 1 1 Formblatt _Berücksichtigung sozialer Kriterien_ (115 KB)      
Anlage 2 2 Formblatt _Berücksichtigung ökologischen Kriterien_ (101 KB)      
Anlage 3 3 Auswertung Umfrage (44 KB)