Vorlage - 2012/126
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Es ist seit Jahren in vielen Landkreises und Städten in Niedersachsen und so auch im Landkreis Peine üblich, dass Bußgelder für Schulverweigerer über die Ordnungsämter verhängt werden. Bei einem ersten Vergehen wird pro Tag ein Ordnungsgeld von 6,00 € fällig, im Wiederholungsfall sogar 12,00 € pro Schultag. Wenn die Eltern alles dafür getan haben, dass Ihr Kind in die Schule geht, wird im Regelfall das Bußgeld gegen die Eltern fallen gelassen. Die Bußgelder der Kinder werden meistens in gemeinnützige Arbeitsstunden umgewandelt.
Hier nun geht das Jugendamt des Landkreises Peine in Kooperation mit der Jugendrichterin beim Amtsgericht Peine, der „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ beim Caritas Verband für den Landkreis Peine, dem „Pro-Aktiv-Center“ (PACE) bei der BBg und der „Kompetenzagentur“ ebenfalls beim Caritas Verband bereits seit Juni 2010 neue Wege.
Hintergrund für diese Bemühungen war der gemeinsame Wunsch, die Betreuung der jungen Menschen und dadurch die Effizienz der Maßnahmen zu verbessern und nachhaltige Hilfen anzubieten. Hierzu sollten die unterschiedlichen Möglichkeiten, insbesondere die Kompetenzen der Fachkräfte der „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ sowie die intensiven Betreuungs- und Interventionsmöglichkeiten u.a. eines Casemanagements von Seiten des Pro-Aktiv-Centers und der Kompetenzagentur zusammenwirken.
Wurden früher durch die Jugendgerichtshilfe lediglich die Arbeitsplätze für die Durchführung der Arbeitsauflagen zugewiesen und die Ableistung überwacht, werden seit Juni 2010 alle Beschlüsse vom Amtsgericht Peine an die Maßnahme „Schulverweigerung – Die 2. Chance“ des Caritasverbandes geleitet. Von dort werden alle Jugendlichen zu einem Erstkontaktgespräch eingeladen. Wird auf die erste Einladung nicht reagiert, erfolgt eine zweite Einladung. Kommt es noch immer nicht zu einem Termin, erfolgt ein Hausbesuch, meist in den Abendstunden. Durch diese Vorgehensweise werden nahezu alle jungen Menschen erreicht. Die Jugendlichen haben seit Juni 2010 die Möglichkeit, einen Teil ihrer Arbeitsstundenauflage auch in Beratungsgesprächen abzuleisten. Für diese intensiven Gespräche hat die zuständige Jugendrichterin angeboten, dass 6 Beratungsstunden 12 Arbeitsstunden entsprechen. Viele junge Menschen haben sich über die lange Zeit des Schulschwänzens in eine für sie ausweglose Situation hineinmanövriert, aus der sie allein und ohne Unterstützung nicht mehr heraus kommen. Oftmals fehlt es den Jugendlichen aber einfach auch „nur“ an einer vernünftigen Zukunftsperspektive. Wenn ich nicht weiß, wofür ich überhaupt die Schule besuche, warum soll ich dann hingehen? In dem Beratungsangebot werden Berufswege-, Leistungs- und Interessentests mit den Jugendlichen gemacht, um ihnen zu zeigen, wohin die (Schul-) Reise gehen kann. Es wird aber auch Hilfestellung beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen gegeben. Diese Angebote sind freiwillig, werden jedoch gerne von vielen jungen Menschen genutzt. Lehnt ein Jugendlicher diese Angebote ab, dann wird ihm direkt eine Ableisterstelle zugewiesen.
Damit man allen Jugendlichen gerecht werden kann, kooperieren die Maßnahmen nach „Die 2. Chance“, die Kompetenzagentur und das Pro-Aktiv-Center. Jugendliche bis zum Erreichen der Abgangsklasse an den Regelschulen werden über „Die 2. Chance“ betreut. Die Schülerinnen und Schüler in den Abgangsklassen können ihre Beratungsgespräche bei der Kompetenzagentur bekommen.
Alle Schüler, die zum Zeitpunkt des Beschlusses vom Amtsgericht an einer Berufsschule oder gar nicht mehr schulpflichtig sind, werden an das Pro-Aktiv-Center verwiesen. Neben den Beratungen werden die Jugendlichen von den Partnern auch zur Ableistung der Restarbeitsstunden an verschiedene Ableisterstellen zugewiesen.
Sollte ein Jugendlicher es nicht alleine bis dahin schaffen, wird er, um beispielsweise eine Schwellenangst zu überwinden, ggf. dorthin begleitet.
Wöchentlich melden die Kooperationspartner den bisherigen Verlauf (Beratungen und Ableistungen) an „Die 2. Chance“, die als Ansprechpartner für das Amtsgericht fungiert und die Gesamtkoordination übernimmt. Von hier werden dem Amtsgericht Beschlüsse als erledigt gemeldet oder aber auch Anhörungstermine beantragt und wahrgenommen, wenn die Jugendlichen trotz der intensiven Begleitung noch immer nicht zum Ableisten zu bewegen sind.
Bisher wurden 182 Jugendliche mit 420 Beschlüssen vom Amtsgericht an die Koordinierungsstelle „Die 2. Chance“ gewiesen. Hiervon entfallen 172 Beschlüsse an das Pro- Aktiv-Center, 178 an „Die 2. Chance“ und 66 Beschlüsse an die Kompetenzagentur
(4 Beschlüsse wurden noch nicht verteilt).
Aktuell befinden sich derzeit 32 junge Menschen in der Betreuung des Projektes.
(13 „Die 2. Chance“; 5 Kompetenzagentur; 14 PACE)
Durch die intensive Betreuung ergeben sich häufig auch langfristige Kontakte, sodass die jungen Menschen auch über das Projekt hinaus Unterstützungsangebote über das Netzwerk erhalten.
Gender-Check:
Auch wenn in der Sachdarstellung von jungen Menschen und/oder Jugendlichen die Rede ist, muss deutlich festgehalten werden, dass es sich bei den betroffenen Personen um überwiegend männliche junge Menschen handelt. Von den 182 Jugendlichen waren 113 männlich und 69 weiblich. Die Anzahl der Beschlüsse pro Mädchen oder Jungen sind aber nahezu gleich bzw. bei den Mädchen geringfügig höher (2,43 Beschlüsse bei den Mädchen / 2,23 Beschlüsse bei den Jungen).