Vorlage - 2011/228
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Die Bundesregierung hat am 27.10.2011 einen Entwurf des Bundeskinderschutzgesetzes vorgelegt. Zwischenzeitlich haben die Koalitionsfraktionen einen Änderungsantrag mit zahlreichen Korrekturen am Regierungsentwurf eingebracht und die Befassung des Bundesrates ist vorgesehen. Wegen der Bedeutung des Gesetzes für die kommunale Ebene werden wesentliche Punkte im Folgenden dargestellt.
Das Bundeskinderschutzgesetz setzt verstärkt auf Zusammenarbeit und Kooperation der relevanten Akteure.
Ziel ist es, die Rechtsgrundlagen in der Kinder- und Jugendhilfe und im Bereich der Schnittstellen zum Gesundheitssystem zu ergänzen, zu schärfen und auszudifferenzieren, um damit dem bestehenden Handlungsbedarf sowohl im Bereich der Prävention als auch der Intervention zu begegnen.
Der zuständige Ausschuss des deutschen Bundestages hatte hierüber am 26.09.2011 eine Anhörung durchgeführt. Schwerpunkte der dreistündigen Beratung waren das Fehlen von Regelungen für das Gesundheitswesen sowie die gestiegenen fachlichen und finanziellen Anforderungen an die Jugendämter.
Im Folgenden sollen die Aufgaben dargestellt werden, die dem Jugendamt zugewiesen werden:
- § 2 BKK: Eltern sowie werdende Mütter und Väter haben künftig einen individuellen Rechtsanspruch auf Information und Beratung in Fragen der Schwangerschaft, Geburt und Entwicklung des Kindes in den ersten Lebensjahren. Dazu ist ihnen schriftlich ein persönliches Gespräch anzubieten, auf Wunsch der Eltern in deren Wohnung (Hausbesuch). Bei ca. 1000 Geburten pro Jahr ist deshalb mit einem erheblichen, zusätzlichen Arbeitsaufwand zu rechnen. Aus fachlichen und ökonomischen Gründen soll diese Beratung nach Möglichkeit mit dem Austragen des Elternwegweisers kombiniert werden. Die Kooperation mit den Schwangerenberatungsstellen ist zu optimieren.
- § 3 BKK: Im § 3 geht es um die Rahmenbedingungen verbindlicher Netzwerkstrukturen im Kinderschutz. Das Land hat dafür Sorge zu tragen, dass flächendeckend ein Netzwerk früher Hilfen auf der Ebene der örtlichen Träger der Jugendhilfe organisiert wird. Alle wichtigen Akteure im Kinderschutz- wie Jugendämter, Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Ärztinnen und Ärzte, Schwangerschaftsberatungen und Polizei werden in einem Kooperationswerk zusammengeführt. Mit dem Arbeitskreis früher Hilfen ist hier bereits ein Anfang gemacht worden. Schwierigkeiten wird es mit der Einbindung frei beruflich tätiger geben.
- Der Einsatz von Familienhebammen soll gestärkt werden. Das Bundesfamilienministerium wird mit einer Bundesinitiative ab 2012 vier Jahre lang jährlich 30Millionen Euro zum von Familienhebammen zur Verfügung stellen.
- Die in §§ 4 BKK, 8 b SGB VIII erstmalig festgeschriebenen Beratungsansprüche gegenüber dem öffentlichen Jugendhilfeträger stellen die bereits gelebte Praxis des Jugendamtes Peine dar.
- § 37 Abs. 2 SGB VIII: Bei der Unterbringung eines Kindes/Jugendlichen bei einer Pflegeperson außerhalb des öffentlichen Jugendhilfeträgers sind Beratung und Unterstützung ortsnah sicherzustellen. Der Umfang der Beratung, die damit verbundenen Ziele sowie die Höhe der Unterhaltsleistungen sind im Hilfeplan zu dokumentieren. Der Landkreis Peine befindet sich im Bereich des Pflegekinderwesens in einem Prozess der Umstrukturierung. Da nicht alle Bedarfe abgedeckt werden können, sind ergänzende Kooperationen mit freien Trägern der Jugendhilfe angestrebt. Mit einem finanziellen Mehraufwand ist zu rechnen.
- § 43 SGB VIII: Ferienaufenthalte von Kindern und Jugendlichen in einer Einrichtung oder einem Jugendlager sind gegenüber dem Jugendamt anzeigepflichtig. BetreuerInnen müssen über eine Mindestqualifikation verfügen. Weiter führt der Bundesgesetzgeber aus, dass er von zumindest stichprobenartigen Überprüfungen der Veranstalter durch den örtlichen Jugendhilfeträger ausgeht.
- § 72 a Abs. 1 SGB VIII: Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe hat sich für Personen, die er im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt oder vermittelt vor Einstellung oder in regelmäßigen Abständen erweiterte Führungszeugnisse ausstellen zu lassen. Für Ehrenamtliche, die in Verantwortung des öffentlichen Jugendhilfeträgers tätig werden, besteht zwar keine Verpflichtung zur Vorlage eines Führungszeugnisses, dem öffentlichen Jugendhilfeträger wird aber die Eignungsprüfung nach eigenem Ermessen auferlegt. Mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand ist zu rechnen.
- § 72 a Abs. 2 SGB VIII: Darüber hinaus ist der öffentliche Träger der Jugendhilfe gehalten, mit den freien Trägern Vereinbarungen zu schließen, die diese verpflichten, sich für ehrenamtlich Eingesetzte erweiterte Führungszeugnisse vorlegen zu lassen.
- § 74 Abs. 1 Nr. 1: Freiwillige Tätigkeiten der Jugendhilfe sollen nur noch gefördert werden, wenn die Träger die nach § 79 a zu vereinbarenden Standards einhalten. Diesbezüglich kommt dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe eine Kontrollfunktion zu. Mit erhöhtem Verwaltungsaufwand ist zu rechnen.
- § 79 a SGB VIII: Der öffentliche Jugendhilfeträger hat
- Handlungsleitlinien und Qualitätskriterien für die Aufgabenerfüllung nach dem SGB VIII zu entwickeln, anzuwenden und zu überprüfen. Diese Handlungsleitlinien und Qualitätskriterien liegen für den § 8 a SGB VIII bereits vor. Zusätzlich ist die Entwicklung eines Qualitätshandbuches geplant.
- Evaluationsverfahren für die Hilfesteuerung und Gefährdungsabschätzung zu entwickeln, anzuwenden und fortzuschreiben. Hinsichtlich der Evaluationsverfahren ist das Jugendamt in Kooperation mit der AG 78 im Prozess, zusätzlich ist ein Evaluationsverfahren zum § 8 a SGB VIII zu entwickeln.
- mit den freien Jugendhilfeträgern Vereinbarungen über fachliche Standards zur Leistungserbringung zu treffen. Dazu zählen auch Leitlinien für die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und ihren Schutz vor Gewalt.
- § 81 SGB VIII: Die Pflicht zur strukturellen Zusammenarbeit des öffentlichen Jugendhilfeträgers wird um die Familien- und Jugendgerichte sowie die Schwangerschaftsberatungsstellen erweitert.
- §§ 86 – 89 h SGB VIII: Der Gesetzgeber hat die Zuständigkeits- und Kostenerstattungsregelungen bei den Aufgaben nach SGB VIII neu strukturiert. Mit erhöhtem Verwaltungsaufwand ist zu rechnen.
- §§ 98 und 99 SGB VIII: Die Kinder- und Jugendhilfestatistik wird im Hinblick auf Gefährdungseinschätzungen nach § 8 a erweitert. Der Bund geht bundesweit von zusätzlichen Aufwendungen für die Kommunen in Höhe von 72 Millionen € pro Jahr aus. Es fehlen Ausführungen darüber, wer den Kommunen den Aufwand für die zusätzlichen Ausgaben in welcher Form erstattet.
Gendercheck:
Das Bundeskinderschutzgesetz widmet sich unterschiedlichen Themen. Im Bereich der Frühen Hilfen, die sich überwiegend an junge alleinerziehende Frauen und ihre Kinder richtet, im Bereich der Kooperation mit Familienhebammen, im Bereich von Ferienaufenthalten für Kinder im Bereich der Kooperation mit Schwangerschaftsberatungsstellen spielen Genderaspekte eine Rolle.