Vorlage - 2018/199
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Mit dem BTHG wird das Neunte Sozialgesetzbuch (SGB IX) neu gestaltet und gleichzeitig ein Systemwechsel vollzogen.
Das BTHG tritt in mehreren Stufen in Kraft. Zum 01.01.2018 treten mit der 2. Stufe umfangreiche Regelungen in den Bereichen Zuständigkeiten, Bedarfsermittlung, Teilhabe- bzw. Gesamtplanverfahren und Vertragsrecht der Eingliederungshilfe in Kraft. Das Recht der Eingliederungshilfe wird personenzentriert ausgerichtet, die Selbstbestimmung der Menschen mit Behinderung soll verbessert und ihnen mehr Teilhabe geboten werden.
Andererseits soll die Ausgabendynamik gedämpft und nicht neu ausgelöst werden.
Aktuell ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachstand:
- Höhere Vermögensfreibeträge (zusätzlich bis 25.000 € für die Eingliederungshilfe) gelten bereits seit dem 01.01.2017
- Einführung der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung
- Treffen Leistungen mehrerer Reha-Träger aufeinander, gelten verbindliche Regelungen zum Verfahren und zur Koordinierung der Leistungen, um eine Bewilligung von „Leistungen wie aus einer Hand“ zu ermöglichen. Es genügt also nunmehr, einen Reha-Antrag zu stellen, um alle benötigten Leistungen von verschiedenen Reha-Trägern zu erhalten.
- Die Neudefinition des Behinderungsbegriffs legt den Schwerpunkt auf die Wechselwirkungen zwischen Person und Umwelt (§ 2 SGB IX-neu):
Menschen mit Behinderung sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate hindern können.
- Die Bedarfsermittlung und die Teilhabe- sowie Gesamtplanung werden konkreter beschrieben. Der Leistungsberechtigte ist in alle Verfahrensschritte einzubeziehen. Instrumente der Bedarfsfeststellung müssen auf die ICF zurückzuführen sein. Damit kann in 9 Lebensbereichen die aktuelle Funktionsfähigkeit und die Beeinträchtigung des Menschen beschrieben und klassifiziert werden. In Niedersachsen wurde dazu inzwischen das Instrument B.E.N.i entwickelt und eingeführt.
ICF: International Classification of Functioning, Disability and Health – Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit“ der WHO
- Der Eingliederungshilfeträger hat für alle Leistungsberechtigten ein Gesamtplanverfahren durchzuführen. Eine enge Verzahnung mit dem von allen Reha-Trägern durchzuführenden Teilhabeplanverfahren ist vorgeschrieben und soll eine verbesserte Koordination der Träger untereinander sicherstellen.
- Es werden Alternativen zur Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) geschaffen (andere Leistungsanbieter), das Budget für Arbeit wird eingeführt.
- In den WfbM gibt es Frauenbeauftragte.
- Der bisherige Personenkreis der Leistungsberechtigten der Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII bleibt, wird erst 2023 neu definiert.
- Teilhabeverfahrensbericht (Statistik) = zunächst nur von Pilotträgern
- Das Vertragsrecht zum Abschluss von Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen gibt dem Träger der Eingliederungshilfe bei Abschluss neuer Verträge mehr Steuerungs- und auch Sanktionsmöglichkeiten, wenn ein Leistungserbringer fehlerhafte Leistungen erbringt. Die bisherigen Verträge gelten bis Ende 2019 fort, solange kein neuer Vertrag zustande gekommen ist. Für die Zeit ab 01.01.2020 sind sämtliche Verträge - auch alle Niedersächsischen Rahmenverträge - neu zu verhandeln und zu vereinbaren.
Noch ungeklärt:
- Die Länder bestimmen die für die Durchführung der Eingliederungshilfe zuständigen Träger der Eingliederungshilfe (neue sachliche Zuständigkeit).
Was bedeutet dies an finanziellen Auswirkungen?
- Die Anerkennung der Konnexität für die mit der Einführung des Gesamtplanverfahrens verbundenen zusätzlichen Verwaltungskosten.
Ausblick für 2020:
- Weitere Verbesserungen für die Leistungsberechtigten bei der Einkommens- und Vermögensberücksichtigung
- Ausgliederung der Eingliederungshilfe aus dem SGB XII und damit aus dem Sozialhilferecht und Eingliederung der Eingliederungshilfe in das SGB IX – Teil 2
= damit wird das SGB IX ein eigenständiges Leistungsgesetz und somit das neue Eingliederungshilferecht
- Systemumstellung: Trennung der Fachleistung von den existenzsichernden Leistungen (gilt nicht für minderjährige Leistungsberechtigte) = keine Unterscheidung mehr in ambulante, teilstationäre und stationäre Leistungen. Das bedeutet eine Auflösung der heutigen Leistungsstrukturen im stationären Wohnen und es wird künftig 2 Träger der Leistungen nach SGB XII und SGB IX geben.
In den nächsten Jahren soll bis 2023 erst wissenschaftlich erforscht und dann modellhaft erprobt werden, wie der Personenkreis der Leistungsberechtigten künftig sinnvoll beschrieben werden kann. Die Neuregelung wird sich an den ICF-Lebensbereichen ausrichten.
Aktueller Stand der Umsetzung beim Landkreis Peine:
- Aus dem Sozialpsychiatrischen Verbund heraus wurde ein Arbeitskreis BTHG gegründet, in dem neben dem Sozialhilfeträger die Leistungsanbieter und Betroffene vertreten sind.
- Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung: Einrichtung durch Peiner Betreuungsverein e. V.
- 3 neue Stellen für das Team Eingliederungshilfe (erste Einstellung einer Sozialpädagogin erfolgte am 15.02.2018)
- 1 neue Stelle für das Team Kinder- und Jugendärztlicher Dienst (KJÄD) für den Bereich der Kinder und Jugendlichen (Sozialpädagogin)
- Aufbau des neuen Bedarfsfeststellungs- und Gesamtplanverfahrens läuft
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