Auszug - Berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern im Landkreis Peine (Antrag von KTA Fechner, s. TOP 13 im Protokoll der 15. Sitzung)
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Wortprotokoll |
Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, berichtet auf Anfrage von KTA Fechner in der 15. Sitzung des AFAS über die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern im Landkreis Peine. Der Bericht wurde bei der letzten Sitzung verschoben. Der Text beginnt mit einigen allgemeinen Ausführungen, bevor er sich in einem zweiten Teil mit der beruflichen Gleichstellung in der Landkreisverwaltung beschäftigt. Im abschließenden dritten Teil werden politische Perspektiven und Strategien für kommunalpolitische Maßnahmen aufgezeigt.
Im ersten Teil legt die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, dar, dass es weltweit eine materielle Ungleichheit zwischen den Geschlechtern gebe: Obwohl der Anteil der Frauen an der Weltbevölkerung bei rund 50% liege, entfalle auf sie rund 65% der geleisteten Arbeit. Dennoch betrage ihr Anteil am Einkommen nur 10% und am Eigentum sogar nur 1%. In Deutschland werde die Spannbreite der Verdienstunterschiede von Männern und Frauen mit 15% bis 25% angegeben. Mit der Bezifferung der Entgeltdifferenz werde zugleich die Perspektive der Untersuchung von Geschlechterverhältnissen festgelegt. Für Deutschland lasse sich die Differenz festlegen auf 42% Erwerbseinkommen im Lebenslauf, 24% durchschnittliches Einkommen bei Vollzeiterwerbsarbeit und 12% Einkommen bei gleichem Alter, gleicher Berufserfahrung, Betriebszugehörigkeit und gleichem Beruf. Bei einem Vergleich der im Laufe eines Arbeitslebens erreichten Einkommen zwischen Männern und Frauen komme man bei den westdeutschen Frauen auf einen Anteil von 42% des Männereinkommens, bei den Frauen in Ostdeutschland komme man hingegen auf 70%. Die Gründe haben etwas mit den unterschiedlichen Rahmenbedingungen vor der Wiedervereinigung zu tun. Betrachte man die Erwerbszeiten, so erreichen Frauen im Westen nur 69% der entsprechenden Männerzeiten, im Osten seien es immerhin 90%. Frauen verdienen also deutlich weniger als Männer und seien deshalb auch stärker von Armut betroffen. Vergleiche man die Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen bei völlig identischen Voraussetzungen, so betrage diese in Deutschland 12%, was deutlich höher als in anderen Ländern sei. Zudem seien Frauen viel häufiger im Niedriglohnsektor beschäftigt. Daraus folgen geschlechtsbezogene Armutsrisiken für Frauen wie Mutterschaft und nicht oder nur geringe Erwerbstätigkeit, Mutterschaft und Stellung als Alleinerziehende sowie Mutterschaft von drei oder mehr Kindern. Es folgt eine Betrachtung der Stundenlöhne von zwei Bereichen. Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, zieht daraus die Schlussfolgerung, dass Sorgearbeit entweder überhaupt nicht oder nur sehr niedrig bezahlt werde und spricht von einer Spaltung des Arbeitsmarktes. Auffällig sei, dass in Großstädten die Differenz bei der Bezahlung der Geschlechter niedriger als in ländlichen Regionen sei. Dies müsse man berücksichtigen, wenn man beispielsweise aufgrund der demographischen Entwicklung Überlegungen anstelle, neue Einwohnern/-innen zu gewinnen. Bei weiteren Ausführungen über die Gründe für die Entgeltdifferenzen zwischen Männern und Frauen nennt Frau Tödter diskriminierende Arbeitsbewertungen und erwähnt dabei ein diskriminierungsfreies Bewertungssystem aus der Schweiz, ABAKADABA, das insbesondere durch die Berücksichtigung psychosozialer Merkmale die Erfordernisse von aller Arten Tätigkeiten abbildet und somit den Anforderungen und Belastungen auch in typischen Frauenberufen wie Krankenschwester und Altenpflegerin gerecht wird. Frau Tödter leitet dann über zum nächsten inhaltlichen Schwerpunkt ihres Vortrages, zur beruflichen Gleichstellung von Frauen und Männern in der Kreisverwaltung. Dabei belegt die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, dass sich in der Zeit von 1990 bis 2008 einiges bewegt habe: Der Frauenanteil im höheren Dienst sei in diesem Zeitraum von 28,57% auf 71,00% gestiegen und der Frauenanteil im gesamten gehobenen Dienst sei von 10,87% auf 56,00% gestiegen, der Anteil von Beamtinnen im gehobenen Dienst bleibe aber seit Jahren konstant bei 21%. Bei den Führungspositionen habe es ebenfalls eine Verbesserung der Situation von Frauen gegeben, allerdings seien erst sechs Frauen Fachdienstleitung, während 17 Männer diese Funktion ausüben.
Die angesprochene Unterbewertung von Sorgearbeit finde sich in der Kreisverwaltung eher nicht, weil sie sich durch die Privatisierung des Altenheimes und des Krankenhauses außerhalb der Kreisverwaltung abspiele.
Das grundsätzliche Problem sei damit jedoch nicht gelöst, wie der Streit der Erzieherinnen der Kindertagesstätten beweise. Insgesamt habe sich bei der Kreisverwaltung, nicht zuletzt durch verschiedene Maßnahmen wie z.B. Cross Mentoring, die Situation der Frauen verbessert, gleichwohl gebe es noch sehr viel zu tun. Schließlich benennt die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, politische Perspektiven und Strategien. Dabei fordert sie, dass die Politik die Sorgearbeit stärker thematisieren und ins Zentrum der Betrachtungen rücken müsse. Geschlechterpolitik müsse als Politik der Sorgearbeit betrachtet werden. Dafür sei der Ausbau der öffentlichen Tagesbetreuung für alle Altersgruppen, der Ausbau der öffentlichen Pflegeangebote, der Abbau der Geschlechterstereotypen in den öffentlichen Maßnahmen, die Anreizschaffung für Männer zur Übernahme von Sorgearbeit, die Schaffung und Gestaltung von Arbeitsplätzen mit Sorgeverpflichtung sowie die Förderung von Initiativen zur Erprobung von neuen Formen gemeinsamer Sorgearbeit erforderlich. Als kommunalpolitische Maßnahmen schlägt die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, die Durchführung eines Audits Beruf/Familie bei der Kreisverwaltung (wird vom Landrat befürwortet), die Festschreibung der geschlechtsspezifischen Datenerhebung, einen ‚Gender Check’ für Ausschussvorlagen sowie die Festlegung der Umsetzung von Gender Mainstreaming als strategischen Handlungsschwerpunkt als allgemeine Maßnahmen vor. Für die berufliche Förderung/Gleichstellung von Frauen fordert sie die regelmäßige Erstellung des Stufenplanes zum Abbau der Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen, Gehaltsgruppen und Berufsgruppen, die Rücknahme der Privatisierung von Reinigungskräften sowie die berufliche Förderung von Mädchen und Jungen, insbesondere mit Migrationshintergrund.
KTA Thiemann bezieht sich auf das Projekt ‚Einstieg für Frauen in gewerblich-technische Berufe’, das beendet worden sei. Er wünscht die Gründe für die Beendigung zu erfahren.
Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, antwortet, dass zum einen die Mädchen, die in diese Bereiche gehen, in den unteren Arbeitsbereichen und Lohngruppen stecken bleiben. Zum anderen gehe der gewerblich-technische Bereich zurück, sodass sich die Anzahl der Arbeitsplätze entsprechend verringere und damit langfristig keine Zukunftsperspektive biete.
KTA Fechner weist auf den Demographiebericht hin, der sich auch mit dem Thema Sorgearbeit befasse und die Ausführungen der Gleichstellungsbeauftragten, Frau Tödter, unterstreiche. Ein Teil des eben gehörten Vortrages beschreibe die Veränderungen in der Kreisverwaltung, aber es stelle sich ihm die Frage, was die Kreispolitik konkret tun könne, um die Situation der Frauen zu verbessern. In dem Vortrag seien zwar einige Themenfelder genannt worden, aber daraus würden sich keine Anträge formulieren lassen.
Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, entgegnet, dass die Rücknahme der Privatisierung der Kreishausreinigung zur Verringerung des Niedriglohnsektors beitragen würde. Hier könne die Politik eine konkrete Entscheidung treffen. Der Kreistag würde mit einer solchen Entscheidung nicht alleine stehen, denn die Stadt München habe bereits vor zehn Jahren ihren Privatisierungsbeschluss zurück genommen, weitere Kommunen seien zwischenzeitlich gefolgt, wie z. B. Rotenburg.
Weiter empfiehlt sie der Politik einen Beschluss zur geschlechtsspezifischen Datenerhebung zu stellen und einen Gender Check für Ausschlussvorlagen. Des Weiteren regt sie an, das Konzept einer Betriebskita in Poolfinanzierung ins Auge zu fassen. Konzept und Interessenten, wie das Klinikum Peine, die Polizei und das Finanzamt Peine sind letztes Jahr mit dem Wunsch an die Gleichstellungsbeauftragte herangetreten. Leider konnten weder der Landkreis Peine noch die Stadt Peine sich entscheiden, die Defizitfinanzierung zu übernehmen.
KTA Flöge bezieht sich auf die Bemerkung, dass die Reinigung der Diensträume durch die privaten Firmen unzureichend erfolge. Er wirft die Frage auf, warum sich der Landkreis das gefallen lasse.
Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, antwortet, dass Art und Umfang der Reinigung zwischen dem Landkreis und der Verwaltung vereinbart sei. Die vereinbarte Leistung werde von den Reinigungskräften erbracht. Problematisch werde es, wenn die Aufträge erneut ausgeschrieben werden müssen, weil die heute im Kreishaus beschäftigten Personen dann nicht wissen würden, wie es mit ihnen weitergehe.
KTA Schlaugat greift die Idee eines ‚Gender Checks’ für Ausschussvorlagen auf. Sie werde diesen Vorschlag in der Fraktion beraten und möglicherweise einen entsprechenden Antrag stellen.
Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließt der Vorsitzende, KTA Möhle, diesen Tagesordnungspunkt.