Auszug - Migration - Gendermainstreaming und Salafismusprävention
|
Wortprotokoll |
Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, weist zunächst darauf hin, dass Migration immer auch einen Geschlechteraspekt habe, der in der politischen Situation oftmals übersehen werde. Deshalb habe sie in den vorangegangenen Ausschusssitzungen auf die besondere Situation von Flüchtlingsfrauen in Sammelunterkünften hingewiesen, das vom Land Niedersachsen entwickelte Gewaltschutzgesetz für Erstaufnahmeeinrichtungen vorgestellt und die Verwaltung gebeten, über die Umsetzung im Ausschuss für Gleichstellung, Arbeit und Soziales (AGAS) zu berichten. Sie habe den Bericht zur Situation von Frauen auf der Flucht, alleinreisend oder in Familien, sowie eine Positionierung des Frauennetzwerkes Peine mit Forderungen zum Schutz von Flüchtlingsfrauen als Tischvorlage verteilt. Sie weist dazu auf das Papier ‚Frauenrechte sind Menschenrechte‘, das sie als Beispiel verteilt habe, hin. Sehr viele Forderungen seien aufgegriffen und erfüllt worden, und mit dem Abebben des Flüchtlingsstroms habe sich eine gewisse Entlastung bei der Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften ergeben. Für den normalen Alltag gebe es jedoch noch sehr viel zu tun, weil die Flüchtlingsfamilien aus anderen Kulturen kommen: In Deutschland leben wir in einer individuellen Gesellschaft, in der die Entfaltung der/des Einzelnen im Vordergrund stehe. Die Flüchtlingsfamilien kommen hingegen häufig aus einem Kulturkreis der kollektiven Gesellschaft, das heißt die Gesellschaft und dabei insbesondere die Familie und nicht der Einzelne stehen im Mittelpunkt. Diese beiden Kulturen würden nun in Deutschland aufeinandertreffen. Ein besonderes Thema ist in diesem Kontext auch das Thema Gewalt im Geschlechterverhältnis. Die Zahlen von betroffenen Frauen seien erschreckend hoch und belegen die Notwendigkeit zum Handeln. Niedersachsenweit stieg die Zahl der Frauen aus Migrationsfamilien von 41 % (2010) auf 62 %. Hinzu komme das Problem der Ehe mit Minderjährigen, das man hier bislang nicht gekannt habe. Es werde in den betreffenden Kulturkreisen als Verrat angesehen, wenn sich eine betroffene Frau an die Polizei oder eine Beratungsstelle wende. Selbst wenn der Ehemann der Wohnung verwiesen werde, seien die Onkel und Brüder noch da, die dann die Rolle des prügelnden Ehemannes übernehmen würden, um die durch den Verrat verletzte Ehre wiederherzustellen, wie auch das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung bestätige. Deshalb habe man auf Bundesebene das ‚Anonyme Notruftelefon‘ eingerichtet, das 24 Stunden täglich erreichbar und in allen Sprachen ansprechbar sei. Im Rahmen des ‚Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen‘ 2015 haben die Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises und der Stadt Peine, die Koordinierungsstellenleiterin für Migration und Teilhabe, Frau Öztürk, die Gewaltberatungsstellen für Frauen und das Frauenhaus in einer gemeinsamen Aktion die Rufnummer an entsprechender Stelle so angebracht, dass die Betroffenen die Nummer lesen können, ohne dass dies bemerkt werde. Flüchtlingssozialarbeiter/innen haben den Weg zur Gleichstellungsbeauftragten gewählt, um Unterstützung für ihre Arbeit vor Ort zu erhalten, im Besonderen beim Thema Gewalt im Geschlechterverhältnis. Es sei wichtig, den Flüchtlingssozialarbeitern/-innen als Ansprechpartner/innen vor Ort Hilfestellungen im Umgang mit dieser Problematik zu geben. Als erstes Angebot habe die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, alle Gewaltberatungsstellen für Frauen, Pro Familia und Heckenrose eingeladen und mit den Flüchtlingssozialarbeitern/-innen zusammengeführt, damit sie sich direkt informieren konnten, welche Hilfsangebote zur Verfügung stehen. Des Weiteren gibt die Gleichbestellungsbeauftragte, Frau Tödter, bekannt, dass sie eine Fortbildung mit dem Titel ‚Migrationssensible Sozialarbeit mit Flüchtlingsgewalt im Geschlechterverhältnis, ein Blickwechsel‘ für diesen Interessentenkreis organisiert habe. Die ausgewählte Referentin, eine ehemalige Leiterin einer Ausländerbehörde, Mitarbeiterin in einem Rechtsamt und heutige Gleichstellungsbeauftragte, habe interkulturelle Kompetenz und einfache Grundlagen des Islam vermittelt. Des Weiteren sei auf die Notwendigkeit von kreativen Lösungen hingewiesen worden, da die offenen Beratungsangebote nicht funktionieren würden. Dieses Fortbildungsangebot sei so gut angenommen worden, dass weitere Anfragen vorliegenwürden und eine Fortsetzung organisiert werde. Blickwechsel bedeute in diesem Kontext auch versteckte Gewaltberatung für Flüchtlingsfrauen. Auf diese Weise sollen die Betroffenen die Möglichkeit einer Beratung haben, ohne dass die gewalttätigen Ehemänner oder sonstigen Verwandten dies bemerken könnten. Daneben habe die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, die zugleich Geschäftsführerin des Präventionsrates sei, in Kooperation mit Frau Öztürk als Koordinierungsstelle für Migration und Teilhabe eine Fortbildung für Lehrer/innen zur Salafismusprävention organisiert. Auch hier gibt es eine Geschlechterperspektive, denn auch Mädchen radikalisieren sich wie beispielsweise im Fall von Safia S. in Hannover oder folgen einem angeblichen Gotteskrieger. Auch diese Veranstaltung sei von den Lehrkräften der weiterführenden Schulen sehr gut angenommen worden. Deutlich wurde in dieser Fortbildung aber auch, dass die Lehrer/innen häufig sehr verunsichert seien, wenn es um die Durchsetzung von Religionsfreiheit im schulischen Kontext gehe, wenn zum Beispiel muslimische Väter der Lehrerin nicht die Hand zur Begrüßung geben wollen oder das Land Niedersachsen einer Schülerin das Tragen eines Gesichtsschleiers (Nikab) im Unterricht erlaube. Es brauche hier klare Positionen auf Landesebene. Als weitere Maßnahmen plane sie am 18. Januar 2017 in Kooperation mit Frau Öztürk und der Museumsleiterin, Frau Dr. Evers, eine Karikaturenausstellung mit dem Titel ‚Frauenwelten – internationale Karikaturen‘. Daneben bestehen weitere Ideen wie der Vortrag oder ein Film über eine muslimische Frau, die nach 30 Jahren ihr Kopftuch abgelegt habe. In der nächsten Ausschusssitzung werde sie einen Kurzvortrag über die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten halten und damit etwas genauer über ihre Tätigkeiten berichten.
KTA Möhle fragt nach, ob es in den Gemeinschaftsunterkünften tatsächlich keine abschließbaren Sanitäranlagen gegeben habe. Des Weiteren halte er das Tragen eines Nikab im Schulunterricht oder das Verweigern eines Händedrucks bei der Begrüßung unter dem Deckmantel der Religion für inakzeptabel.
Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, antwortet, dass es in den Gemeinschaftsunterkünften des Landes die Probleme in den Sanitäranlagen gegeben habe, allerdings müsse man berücksichtigen, dass seinerzeit sehr schnell sehr viele Menschen untergebracht werden mussten. Mit dem Abflauen des Flüchtlingsstromes habe sich die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen entspannt.
KTA Rauls unterstreicht die Ausführungen der Gleichstellungsbeauftragten bezüglich der Möglichkeiten, von Gewalt betroffene Personen, insbesondere Frauen, zu schützen. Selbst wenn die Polizei einen schlagenden Ehemann der Wohnung verweise, sei er nach einigen Tagen wieder vor Ort und es werde auch seitens der Betroffenen getan, als wenn nun alles in Ordnung sei. Den Betroffenen könne man nur wirksam helfen, wenn die sich auch bewegen würden, aber dazu müsse Vertrauen in den Staat bestehen, dass dieser sie auch wirklich schützen könne. Bestehe dieser Eindruck nicht, würden sich Betroffene irgendwann nicht mehr an die Polizei wenden.
KTA Cavalli erklärt, dass er Probleme damit habe, dass man den Frauen Informationen und Hinweise auf Hilfsangebote versteckt zukommen lassen müsse. Damit würde sich der Rechtsstaat letztlich verstecken und das dürfe nicht sein. Er fragt an, ob es andere Möglichkeiten gebe, beispielsweise eine Pflichtveranstaltung, bei der man alle Frauen informieren würde. Da es eine Pflichtveranstaltung sei, könne niemand gegen die Teilnahme seiner Frau Einwände erheben oder die Teilnahme verbieten.
Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, erwidert, dass man vor einigen Jahrzehnten in Deutschland auch deutsche Frauen auf diese Weise über ihre Rechte informiert habe, die jetzige Vorgehensweise sei also nicht neu. Sie begründet dieses Vorgehen als strategische Maßnahme, um helfen zu können, ohne die ratsuchenden Frauen zu gefährden.
KTA Mittal erklärt, dass man mit versteckten Aktionen vorsichtig sein müsse, denn der fragliche Personenkreis stamme aus einer Kultur, in der es eine sehr große Vernetzung der Familie untereinander und mit den übrigen Personen aus ihrem Kulturkreis gebe. Deshalb könne sich schnell herumsprechen, dass sich Frauen nach dem Besuch bestimmter Angebote anders verhalten würden, sodass diese Angebote von keiner von Gewalt bedrohten Frau mehr besucht werden dürfen.
Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, stimmt dem durchaus zu und äußert ihr Bedauern darüber, dass es keine politische Diskussion über den Umgang der einheimischen individuellen Gesellschaft mit der zugewanderten kollektiven Gesellschaft gebe. In den westlichen Staaten bestehen erhebliche Probleme, die kollektive Gesellschaft zu verstehen. Flüchtlingssozialarbeiter/innen hätten aus Erfahrung Bedenken geäußert, hiesige Dolmetscher/innen für ein Beratungsgespräch auszuwählen, vor allem dann, wenn sie/er aus dem gleichen Kulturkreis wie die Betroffene stamme. Inzwischen gebe es zahlreiche Fälle, wo Dolmetscher/innen die Aussagen der Frauen falsch übersetzt hätten. Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, weist in diesem Kontext darauf hin, dass die Gewaltberatungsstellen sich wünschen würden, lieber mit einer Sprachübersetzungs-App zu arbeiten, auch weil ein vertrauliches Gespräch in Gegenwart einer dritten Person sehr schwierig sei.
KTA Samieske weist in diesem Zusammenhang auf eine Möglichkeit im Gesundheitswesen hin, bei der man einen Dolmetscher über eine Hotline anrufen könne, so dass es keine weitere Verbindung zwischen Opfer und Dolmetscher gebe. Vielleicht sei eine solche auch in diesem Bereich denkbar. Darüber hinaus seien die 6,5 Stellen, die man im Fachbereich 3 streichen wolle, vielleicht besser im Bereich der Gewaltprävention eingesetzt.
KTA Spittel ergänzt, dass das Jobcenter der Stadt Hannover mit einer Dolmetscher-Hotline zusammenarbeite, die in Österreich ansässig sei.
Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, äußert ihr Interesse und erklärt, in dieser Richtung nachzuforschen, welche Möglichkeiten es gebe. Daneben müsse aber auch das Fachpersonal geschult werden, denn professionelle Kompetenzen seien in diesem Bereich zurzeit das Wichtigste, um nachhaltige Fehlentscheidungen zu vermeiden, auch im Ehrenamt.
KTA Meyermann erklärt, dass eine Dolmetscher-App einer Person vorzuziehen sei. Es stelle sich angesichts der übereinstimmenden Aussagen nun die Frage, wie man das geregelt bekomme und wo es Wege für finanzielle Unterstützung gebe. Sie schlägt vor, dies in der nächsten Sitzung des Kreisausschusses zu besprechen.
Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, entgegnet, dass es bei einer App und der passenden Hardware (i-Pad) nur um nicht besonders hohe Sachkosten gehen würde, die für die Beratungsstellen zusätzlich eingesetzt werden müssten.
FBL Dr. Buhmann ergänzt, dass man zunächst schauen müsse, was es für Angebote auf dem Markt gebe. Danach würde man einen Überblick über die eventuellen Kosten haben und könne dann weiterschauen.
Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließt die Vorsitzende, KTA Riedel-Kielhorn, diesen Tagesordnungspunkt.