Auszug - Information der Gleichstellungsbeauftragten zum Sachstand Umsetzung Istanbul Konvention
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Wortprotokoll Beschluss Abstimmungsergebnis |
Gleichstellungsbeauftrage Frau Tödter berichtet zunächst über die Umsetzung des politischen Beschlusses zur 24-stündigen Erreichbarkeit an den Wochenenden für die im Haus lebenden Frauen durch die seit Januar 2020 erfolgte stufenweise Einstellung und Einarbeitung von externen Arbeitskräften. Der Einsatz beschränkte sich zunächst auf personelle Engpässe, da die schriftliche Kostenzusage erst Ende April 2020 vorlag und die Bewerbungsaktivitäten gering ausfielen. Aktuell werden vier externe Arbeitskräfte im Bereitschaftsdienst eingesetzt und zum Teil noch eingearbeitet. Seit Mitte März ist der Bereitschaftsdienst (Corona-Pandemie) auch unter der Woche eingerichtet. Seit Anfang Juni wird in der Ansage des Anrufbeantworters auch auf die Nummer des Bereitschaftsdienstes verwiesen. Aufgrund der Einarbeitung und auch der besonderen Krisenbedingungen ist derzeit immer noch eine Frauenhausmitarbeiterin unterstützend im Bereitschaftsdienst tätig und im Hintergrund für die neuen Bereitschaftskräfte erreichbar.
Die Wohnungsanmietung hat sich stark verzögert, da sie noch nicht bezugsfertig ist. Die Möbel sind bereits vorhanden, als neues Datum ist derzeit der September 2020 vorgesehen. Die Suche nach einem anderen Objekt läuft parallel.
Zur aktuellen Situation verweist die Gleichstellungsbeauftrage Frau Tödter auf eine in München veröffentlichte erste große repräsentative Umfrage, nach der die Corona-Krise zu mehr häuslicher Gewalt führt. Die Online-Befragung von rund 3.800 Frauen zwischen 18 und 65 Jahren nach ihren Erfahrungen ergab, dass rund drei Prozent der Frauen in der Zeit der strengen Kontaktbeschränkungen zu Hause Opfer körperlicher Gewalt wurden. Weitere 3,6 Prozent wurden von ihrem Partner vergewaltigt. In 6,5 Prozent aller Haushalte wurden Kinder gewalttätig bestraft. Waren die Frauen in Quarantäne oder hatten die Familien finanzielle Sorgen, lagen die Zahlen deutlich höher. Gleiches galt, wenn einer der Partner aufgrund der Pandemie in Kurzarbeit war oder den Arbeitsplatz verloren hatte. Weitere Faktoren für mehr Gewalt waren Angst oder Depressionen eines der Partner oder wenn im Haushalt Kinder unter zehn Jahren lebten.
Neben tatsächlich ausgeübter körperlicher und sexueller Gewalt fühlten sich außerdem 3,8 Prozent der Frauen von ihrem Partner bedroht. 2,2 Prozent durften ihr Haus nicht ohne seine Erlaubnis verlassen. In 4,6 Prozent der Fälle regulierte der Partner Kontakte der Frauen mit anderen Personen, auch digitale Kontakte etwa über Messenger-Dienste. Aus diesen Risikofaktoren leiteten die Wissenschaftlerinnen mehrere Empfehlungen für bestehende und künftige Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen ab. So sollten Notbetreuungen für Kinder geschaffen werden, die nicht nur Eltern in systemrelevanten Berufen zur Verfügung stehen.
Da Depressionen und Angstzustände das Gewaltpotenzial noch erhöhten, müssten psychologische Beratungen und Therapien auch online angeboten werden.
Der Landkreis Peine hat mit einer Übergangsfinanzierung auf die verschärften Bedingungen während der Corona-Krise reagiert und befristet finanzielle Mittel eingesetzt für zusätzlich anzumietenden Wohnraum, aber auch für Personalkosten.
Zum Peiner Frauenhaus berichtet die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter
von einer fast durchgängigen Vollbelegung, trotz seit Mitte März rückläufigen Aufnahmeanfragen. Im Jahr 2020 konnten bereits 27 Frauen aufgenommen werden, abgewiesen werden mussten 26 Frauen mit ihren Kindern. Bei den letzten fünf Anfragen und Aufnahmen waren es ausschließlich Frauen aus dem Landkreis, was eher ungewöhnlich ist. Während des Lockdown lebten 8 Frauen und 10 Kinder im Haus, derzeit sind es 8 Frauen und 8 Kinder. Seit Mitte März haben sich die Beratungen in der Nachbetreuung fast verdreifacht. Auch in der BISS-Beratungsstelle ist eine Zunahme der Beratungen zu verzeichnen. Bis zum 15. Juni 2020 sind bereits 74 Polizeiberichte und 20 Selbstmeldungen eingegangen.
Von derzeit 3 tätigen Sozialarbeiterinnen gehört eine zur Risikogruppe und ist derzeit im Außendienst in der Beratung sowie im Bereitschaftsdienst eingesetzt. Zwischen Mitte März bis Anfang Juni 2020 gab es aufgrund unterschiedlicher Gründe (Risikogruppe, Quarantäne, zunächst keinen Anspruch auf Notbetreuung etc.) erhebliche personelle Engpässe, so dass das Frauenhaus phasenweise nur von zwei Mitarbeiterinnen, aber auch nur von einer Mitarbeiterin besetzt war. Seit Anfang Juni 2020 erfolgt befristet bis Ende Juli eine Unterstützung an drei Tagen in der Woche durch eine Sozialarbeiterin des Landkreises Peine, was sich als absolut hilfreich erweist und zum Erhalt und der Sicherstellung der Beratungsarbeit beiträgt.
Trotz räumlicher Enge und der Unmöglichkeit im Frauenhaus Abstände einzuhalten werden unter Umsetzung besonderer Hygienemaßnahmen alle Zimmer zur Verfügung gestellt. Dies kann solange erfolgen, wie es die Quarantänestation im Peiner Klinikum gibt. Sollte diese schließen, müsste zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein Quarantänezimmer eingerichtet werden.
Derzeit gibt es ein erhöhtes Arbeitsaufkommen, da alle aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzten Termine, wie zum Beispiel Gerichts- und Behördentermine, nun geballt nachgeholt werden
Insgesamt ist die Zahl der betroffenen Frauen wohl gestiegen. Sie sind in den Schutzeinrichtungen aber noch nicht angekommen, ähnlich wie zu Zeiten der Flüchtlingskrise. Vielleicht liegt es auch an der Kontrolle der Internetdienste durch den Partner, wie die Studie aufzeigt, und die Gemeinschaftsunterkünfte schrecken zu Zeiten der Pandemie eher ab.
Gleichstellungsbeauftrage Frau Tödter stellt abschließend eine interessante Lösung vor, um die Situation für von Gewalt betroffene Frauen langfristig im Landkreis Peine zu verbessern. Das niedersächsische Sozialministerium hat die Beteiligung an einem Bundesförderprogramm angeboten, um eine größere Immobilie für das Frauenhaus kaufen zu können und damit langfristig zu planen. Das Sozialministerium hat durch ein Ampelsystem für freie Plätze in Frauenhäusern festgestellt, dass das Peiner Frauenhaus immer belegt ist. Die bis 2023 befristete Bundesförderung liegt bei 90 Prozent und die Immobilie geht nach 15 Jahren in den Besitz des Käufers, vielleicht der Landkreis Peine, über. Bei einer entsprechenden Entscheidung der Politik könnte im Jahr 2021 ein Antrag für 2022 gestellt werden.
KTA Frau Meyermann schlägt einen parteiübergreifenden Impuls aus dem Ausschuss vor und wünscht sich für die nächste Sitzung eine Vorlage mit konkreten Informationen.
KTA Herrn Samieske begrüßt die angedachte Ausweitung, um auch auswärtigen Frauen eine Unterbringung zu ermöglichen.
Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter verweist auf die umfangreichen Vorarbeiten und sagt eine erweiterte Information zu. Sie macht aber deutlich, dass dies nur in Kooperation mit der Sozialdezernentin Frau Prof. Dr. Friedrich passieren kann, da es sich ja auch um ihr Aufgabengebiet handelt.
Bürgervertreterin Frau Schlaugat kündigt an, die ergänzten Informationen als Grundlage für die notwendigen Fraktionsberatungen zu nutzen.
Nachdem keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stellt die Vorsitzende KTA Frau Riedel-Kielhorn fest, dass der Ausschuss von der Informationsvorlage Kenntnis genommen hat.