Auszug - Bericht des Landkreises Peine zur Chancengleichheit nach § 9 Abs. 7 NKomVG Berichtszeitraum 2016 bis 2018
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Wortprotokoll Beschluss Abstimmungsergebnis |
Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter kündigt an, dass sie den Gleichstellungsbericht 2016-2018 dazu nutzen möchte, ein kleines Resumee Ihrer fast 30-jährigen Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte für den Landkreis Peine ziehen und dabei auf Maßnahmen einzugehen, die sich zum Teil auch im Gleichstellungsbericht wiederfinden.
Anfang Januar 1992 trat sie die Nachfolge der ersten Frauenbeauftragten des Landkreises Peine Erika Pape-Post an und hatte gleich zu Anfang einen „eigenen Fachausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen“ und einen „Frauenförderplan“. Von Anfang an bedeutete ihre Aufgabe, die „Gleichstellung von Frau und Mann“ zu befördern, die Interessen von Frauen in der Gestaltung aller Lebensbereiche des Landkreises mit einzubeziehen und die Strukturen so zu verändern, dass Frauen und Männer in ihnen die gleichen Chancen haben.
Dabei galt es von Anfang an, kooperativ mit Politik und Verwaltung zusammenzuarbeiten, damit die tatsächliche Umsetzung des Artikel 3 GG auch funktioniert.
Ab 1994 wurden im Landkreis Peine neue Frauenbeauftragte durch die Verabschiedung des „Frauenbeauftragtengesetzes“ (NGO/NLO §4a/5) eingestellt, so dass Netzwerk- und Bündnisarbeit möglich wurde. Aufgrund der erreichten Größenordnung von 20.000 Einwohner/innen stellten sechs Gemeinden im Kreis hauptberufliche Frauenbeauftragte ein. Im Jahr 2005 wurde das „Frauenbeauftragtengesetz“ novelliert, in dessen Folge nur noch der Landkreis Peine hauptamtlich eine Frauenbeauftragte, jetzt Gleichstellungsbeauftragte, beschäftigen musste. Mittlerweile hat nur noch die Stadt Peine eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte.
Bei Addition der Tarifbeschäftigten und Beamtinnen und Beamten des Landkreises Peine im einfachen, mittleren, gehobenen und auch höheren Dienst überwiegt der Frauenanteil.
Gerade im gehobenen und höheren Dienst ergibt sich der höhere Frauenanteil insbesondere aus Tarifbeschäftigten mit hochqualifizierten Spezialausbildungen. Im Bereich der Fachdienst- und Fachbereichsleitungen sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. Der Frauenanteil aus Tarifbeschäftigten und verbeamteten Kräften im höheren Dienst ist weiter gestiegen. Inzwischen gibt es jedoch eine ganze Reihe sehr gut qualifizierter Frauen, die in
Führungspositionen unterhalb der Fachdienstleitungsebene eingesetzt sind und damit künftig gutes Potenzial bieten, auch den letzten Bereich ausgeglichen zu gestalten. Hilfreich hierbei war auch das seit 2005 umgesetzte Genderprojekt „Cross-Mentoring“, an dem umgekehrt proportional zur Anzahl der weiblichen und männlichen Führungskräfte zunächst neun Frauen und drei Männer der Landkreisverwaltung teilnahmen. Führung auch in Teilzeit wäre ein weiteres Projekt für die Zukunft.
Im Rahmen der internen Frauenförderung gibt es beim Landkreis Peine seit 1992 Angebote zur Fortbildung für Mitarbeiterinnen der Landkreisverwaltung. Auf Wunsch der weiblichen Führungskräfte und zur besseren Vernetzung, kollegialer Beratung und dem Angebot, gemeinsame Inhouse-Fortbildungsveranstaltungen anzubieten, wurde 1995 ein „Stammtisch für weibliche Führungskräfte“ von der Frauenbeauftragten ins Leben gerufen, der sich immer noch, allerdings in neuer Besetzung, trifft. Im Bereich der externen Mädchen- und Frauenförderung wurden zur geschlechterkritischen Berufsorientierung und Lebensplanung von Mädchen und Jungen zahlreiche Schulprojekte mit vorgeschalteter Lehrerfortbildung, auch mit interkulturellem Ansatz, durchgeführt.
Das erste Schulprojekt startete schon 1992 in der Hauptschule Hohenhameln mit einer Landesförderung in Höhe von ca. 26.000 DM.
Zur Förderung der Frauen im Sport wurden schon 2004 und 2005 sowie 2018 Frauensporttage in Kooperation mit dem Kreissportbund und dem Landessportbund veranstaltet. Ein ganz besonderer Sporttag in Zusammenarbeit mit dem Landessportbund als niedersächsisches Pilotprojekt mit Vorbildcharakter wird coronabedingt vom September diesen Jahres auf Mai 2021 verschoben.
Zur Frauenfußballweltmeisterschaft 2011 wurde mit vielfältiger Unterstützung ein Mädchenfußballcamp mit 100 Teilnehmerinnen durchgeführt. Ein Public Viewing im Stadtpark, moderiert von der PAZ mit vielen regionalen Akteur/innen ergänzte die Veranstaltungsreihe.
Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter verweist auf ihre Mitgliedschaft des im Jahre 2003 gegründeten Gesundheitsbündnisses. In diesem Rahmen hat sie umfangreiche Veranstaltungen zum Thema „Brustkrebs“ mit meinen Bündnispartnerinnen von Caritas und den Krankenkassen durchgeführt. Das Thema wurde auch von Gesundheitslotsinnen mit Migrationshintergrund begleitet.
Im Rahmen der Prävention im Landkreis Peine war sie im Jahr 2004 zusammen mit Heckenrose, Caritas und einigen anderen maßgeblich an der Gründung des Präventionsrates beteiligt und ist seit mehreren Jahren Geschäftsführerin, immer mit Blick auf die Umsetzung von Gender Mainstreaming. Mit Blick auf das Thema „Migration“ wurde die 3. Fachtagung Prävention 2018 unter dem Thema“ Wertewandel, Wertevielfalt, Wertegemeinschaft-Herausforderungen an eine gelingende Integration“ mit dem Referenten Ahmad Mansour in Kooperation mit dem Silberkamp Gymnasium einem pädagogischen Fachpublikum angeboten.
Im Bereich der gendersensiblen Integration wurden 2007 -2009 in Kooperation mit den Leitern der Ausländerbehörde und der Kreisvolkshochschule mehrere interkulturelle/interreligiöse Dialoge durchgeführt mit jeweils mindestens 100 Gästen.
Von 2010 bis 2015 war die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter Leiterin der Steuerungsgruppe Integration im Landkreis Peine, die in guter Zusammenarbeit mit der Kreistagspolitik unter anderem eine Koordinierungsstelle für Migration und Teilhabe beim Landkreis Peine einführte.
Die Ausstellung „Frauen – Gesichter – Geschichten im Landkreis Peine – aus dem schwarz-weiß in die Farbe“ zeigte 2008 Frauen als Vorbilder gelungener Integration. Sie entstand in Kooperation mit dem Kreismuseum und der Kreisvolkshochschule. Daraus entstanden später ein Buch und eine Hör-CD mit 80%iger Landesförderung sowie etwas später eine interkulturelle Frauengruppe, die sich auf eigenen Wunsch der Frauen unter der Begleitung der Gleichstellungsbeauftragten 10 Jahre regelmäßig getroffen hat. 2017 wurden die Veranstaltungen über die Lebenswelten muslimischer Frauen in Deutschland entwickelt.
Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter betont die Wichtigkeit, sich mehr mit dem Thema „Die Rolle der Frau im Islam“ beschäftigen, um die Lebenswelten von muslimischen Frauen besser zu verstehen, zum Beispiel in welchen familiären Kontexten sie leben oder welche Rolle der Glaube in ihren Leben spielt. Eine wichtige Veranstaltung wurde mit Emel Zeynelabidin, Tochter des Milli Görus Gründers Deutschlands, Ehefrau, Mutter von 6 Kindern, Kämpferin für den ersten muslimischen Kindergarten in Deutschland, die nach 30 Jahren ihr Kopftuch ablegte, durchgeführt. Nach der Vorführung des Filmes „Hüllen“ fand ein Gespräch mit der Hauptdarstellerin und ihrer Tochter statt.
Integration kann nur gelingen, wenn auf Seiten der zugewanderten Frauen und Männer das Verständnis für Emanzipation und Gleichberechtigung (weiter)entwickelt wird und insbesondere zugewanderte Frauen in der Wahrnehmung ihrer Rechte gestärkt werden. Die Fortbildung „Genderkompetenz im interkulturellen Kontext“ im Rahmen des Landesprojektes „GleichbeRECHTtigt leben-Unsere Werte, unser Recht“ richtete sich an Beschäftigte der Landkreisverwaltung, besonders aus den Bereichen Jugendamt (z.B. ASD), Ausländerbehörde, Jobcenter, Gesundheitsamt und KVHS. Des Weiteren wurden Beschäftigte von Wohlfahrtsverbänden, sozialen Einrichtungen wie z.B. Caritas, Labora und dem Betreuungsverein, dazu geladen.
Auf Anfrage von Flüchtlingssozialarbeiter/innen im Landkreis Peine organisierte die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter mehrere Fortbildungsmodule unter dem Thema „Migrationssensible Sozialarbeit mit Flüchtlingen–Gewalt im Geschlechterverhältnis-ein Blickwechsel“. Aufgrund einer aktuellen Anfrage werden Frau Öztürk und die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter ein Angebot dafür entwickeln, wenn die Coronakrise es wieder möglich macht.
Ziel eines Seminars zu Interkultureller Genderkompetenz für Mitarbeiter/innen in PACE-Projekten und den Jugendwerkstätten Peine war die Sensibilisierung gegenüber geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen, Lebenssituationen, Rollenstereotypen und damit in Zusammenhang stehende unterschiedliche Entscheidungslagen und die Abgrenzung zwischen dem Respekt vor der anderen Kultur und den hiesigen rechtsstaatlichen Grundlagen.
Im Rahmen der Bildungs-und Kulturarbeit für Frauen wurden in Zusammenarbeit mit Kolleginnen in der Region Braunschweig und dem Landesmuseum Braunschweig in den Jahren 2004 bis 2009 zur Hexenverfolgung zahlreiche Veranstaltungen in Peine durchgeführt. Eine vor dem Kreishaus aufgestellte Hexeninstallation ist jetzt Teil der Stadtführung in Peine.
2012 erfolgte die Eröffnung des FrauenORTes Peine. Für die 1. niedersächsische Landrätin Hertha Peters erfolgte eine Installation im Klinikum Peine, eines ihrer wichtigsten politischen Projekte. Sie würde sich sicher freuen, dass die Politik sich einstimmig für den Erhalt des Krankenhauses ausgesprochen hat und dass es höchstwahrscheinlich in die kommunalen Hände des Landkreises Peine zurückgeführt wird. Aber sie würde sich im Rahmen der Daseinsvorsorge für die Bürger/innen sicher für die Wiedereinrichtung der Geburtenklinik und der Frauenheilkunde einsetzen. Im Jahr 2015 wurde im Kreisgebäude eine Hörstation mit einer umfassende Biografie Hertha Peters sowie mit gesprochenen Originaltexten eingerichtet.
In Zusammenarbeit mit dem Kreismuseum wurde unter Mitarbeit einer Historikerin die Ausstellung “Gruppenbilder mit Dame-Politikerinnen gestern und heute“ entwickelt.
Seit 2014 findet jedes Jahr ein Frauenstadtrundgang mit einer Schauspielerin in der Rolle von Hertha Peters statt, durchgeführt von den Stadtführerinnen Peine Marketings und der Gleichstellungsbeauftragten Frau Tödter. Der Besuch einer Göttinger Frauengruppe wurde vom NDR begleitet und als Reportage im Rundfunk ausgestrahlt. Mittlerweile gibt es schon die 2. Anfrage von externen Interessentinnen.
Zum Thema „Frauen und Arbeitsmarkt“ wurden zahlreiche Projekte durchgeführt.
Im Jahr 1997 wurde als Folge einer Fachtagung ein Existenzgründerinnenstammtisch gegründet, der sehr schnell selbstorganisiert weitergeführt wurde. Im gleichen Jahr folgte die Ausstellung „Regina Mobilia“ auf der damals noch stattfindenden Wirtschaftsschau. Mobilität von Frauen im ländlichen Raum ist auch heute mehr denn je ein Thema.
Mit der Frauenbeauftragten des Arbeitsamtes Hildesheim–Peine wurde über eine ABM-Förderung die Koordinierungsstelle Frauen und Beruf entwickelte, um Berufsrückkehrerinnen zu beraten sowie Betriebsbefragungen und qualitative Interviews durchzuführen. Ergebnis war u.a. die Notwendigkeit einer flexibleren Kinderbetreuung im Landkreis Peine.
2006 folgte die Veranstaltungsreihe „Balance Beruf und Familie“ , die u.a. für die Gründung eines Betriebskindergartens in Poolfinanzierung warb, gefördert durch das Sozialministerium. Später gründete sich auf Wunsch von Klinikum und Finanzamt Peine dazu eine Arbeitsgruppe, die mit Stadt und Landkreismitarbeiter/innen ein umfassendes Konzept entwickelte, das aufgrund der fehlenden Defizitfinanzierung nicht umgesetzt wurde. Die Gleichstellungsbeauftrage Frau Tödter verweist auf den aktuellen Antrag der CDU-Fraktion zur Prüfung einer Einrichtung eines Betriebskindergartens.
In Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten der Gemeinde Vechelde wurden in den Jahren 2007, 2009 und 2011 Frauenmessen mit Work-Shop Angeboten für Frauen in freien Berufen oder leitenden Positionen veranstaltet. In den Jahren 2007 bis 2015 wurde eine Sommerferienbetreuung für Kinder berufstätiger Eltern organisiert, später in Kooperation mit der Stadt Peine aufgrund einer Bedarfsanalyse in der Kreisverwaltung Peine in Kooperation mit dem Personalrat.
Im Jahr 1992 wurde der Ausschuss für Gleichberechtigung und Frauenfragen im Rahmen des Kreistagsbeschlusses zur Umsetzung von Gender Mainstreaming im Landkreis Peine mit dem damaligen Sozialausschuss zu einem Ausschuss für Frauen, Arbeit und Soziales (AFAS) zusammengelegt und später in AGAS umbenannt. Im Jahr 2000 wurde die Umsetzung von Gender Mainstreaming mit einem Kreistagsbeschluss bestätigt. Zur Steuerung der Gemeinschaftsaufgabe “Geschlechtergerechtigkeit“ und zur Umsetzung von Gender Mainstreaming wurde auf Vorschlag der Gleichstellungsbeauftragten ein Management –Team ins Leben gerufen, das paritätisch mit Männern und Frauen aus der Führungsebene besetzt wurde. Im Jahr 2000 wurden erstmalig Gendertrainings für alle Führungskräfte durchgeführt, an dem neben der Verwaltungsführung und den Fachdienstleitungen auch weitere Multiplikator/innen teilgenommen haben.
Die Einführung des genderorientierten Auszubildendenprojekts „Zukunftstag für Mädchen und Jungen“ wurde in Kooperation mit dem Fachdienst Personal möglich, nachdem Gender Mainstreaming als Strategie in der Ausbildungsverordnung festgeschrieben wurde.
Im Jahr 2010 wurde der Gender-Check für Beschlussvorlagen, entwickelt vom Managementteam, eingeführt und evaluiert. Zudem wurden auf Antrag der Politik in den Jahren 2014/2015 externe Gender-Vorträge in allen Fachausschüssen durchgeführt. Die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter bot zusätzlich Genderschulungen für Mitarbeiter/innen an, die Beschlussvorlagen erstellen. Ein Handout für die weitere Arbeit wurde allen zur Verfügung gestellt.
Die letzten wichtigen politischen Entscheidungen im AGAS wurden im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes und der Istanbul Konvention getroffen.
Als Resümee aus dem Gleichstellungsbericht 2016-2018 empfehlen die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter und der Landrat weitere Schulungen der Führungskräfte. Sie schlagen vor, dass „Gender Schulungen“ Bestandteil eines neu zu entwickelten Führungskräftetraining beim Landkreis Peine werden.
Das langfristige Ziel des Landkreises Peine sollte es weiterhin sein, alle Mitarbeiter/innen und im Besonderen die, die an politischen Konzepten und Maßnahmen mitwirken, in die Lage zu versetzen, die gleichstellungsrelevanten Aspekte ihres Tätigkeitsfeldes zu erkennen und in ihr praktisches Verwaltungshandeln einzubeziehen.
Die Verankerung von genderspezifischen Überprüfungen in einem zentralen Controlling bleibt eine weitere Empfehlung für die Zukunft.
Beim Resümee zur Gleichstellungspolitik aus eigener Perspektive führt die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter aus, dass sie Angestellte der Verwaltung sei und politisch gewählt.
In der Ausübung ihrer Tätigkeit ist sie weisungsunabhängig und nur der Rechtsaufsicht des Hauptverwaltungsbeamten, heute des Landrates, unterstellt ist. Der Kreistag ist ihr Vorgesetzter und kann ihr im Rahmen des Gesetzes Themenschwerpunkte empfehlen. Dieses Konstrukt ist vom Gesetzgeber bewusst gewählt, um Möglichkeiten der Veränderung im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit zu schaffen, ohne dabei die Hierarchien der Verwaltung einhalten zu müssen. Und genau da liegt auch das Problem. Eine Verwaltung kennt außer dem Rechnungsprüfungsamt keine Aufgaben, die weisungsunabhängig erledigt werden – es passt so gar nicht in die Art der Aufgabenerledigung einer kommunalen Behörde Und so gab es damit schon immer Reibungspunkte – aber das läge wohl in der Natur der Sache. Wäre die Gleichstellungsbeauftragte Teil der Verwaltung, könnte sie weniger schnell Veränderungen im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit voranbringen.
Beim Resümee zur Gleichstellungspolitik gesamtgesellschaftlich beschreibt die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter ausgehend vom Versprechen „Gleichheit und Freiheit sind die Grundversprechen der Demokratie“ die aus Geschlechterperspektiven gegenwärtig problematische Situation. Die grundgesetzliche Verpflichtung des Staates zur tatsächlichen Durchsetzung der Gleichstellung, das Gewaltschutzgesetz, Elternzeit und Erziehungsgeld, der Versorgungsausgleich nach der Scheidung, der Anspruch auf Teilzeit, die Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rente, das Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz, das sich auf dem Prüfstand befindliche Niedersächsische Gleichberechtigungsgesetz und ein dichtes Netz institutionalisierter Gleichstellungspolitik sind vorhanden. Mit Statistiken, Studien, Frauen- und Genderforschung in allen Disziplinen lässt sich mühelos eine mittelgroße Bibliothek füllen.
Neben diesen hart erstrittenen Fortschritten auch durch die jüngste Errungenschaft der Strategie des Gender Mainstreaming stehen aber kommunalpolitisch neue Herausforderungen an.
Migration/Integration werden wichtige frauenpolitische Themen der Zukunft sein. Wenn die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten Wünsche für die Zukunft thematisieren sollten, ist die Ausgangslage völlig anders als vor 40 Jahren. Es geht vorrangig darum, die wachsende Kluft zwischen politischer Verkündigung (auch in Gesetzesform) und Realität zu thematisieren.
Schweden hat in seinem basisdemokratischen Selbstverständnis auch die Gleichberechtigung der Geschlechter implantiert. Seit den siebziger Jahren ist in der schwedischen Verfassung festgeschrieben, dass Macht und Ressourcen gerecht zwischen den Geschlechtern verteilt werden. Diese Voraussetzungen fußen auf zwei politischen Säulen, auf einer geschlechtergerechten Familienpolitik und auf der rigorosen Politik gegen Sexualgewalt.
Familienpolitik ist in Schweden Wirtschaftspolitik und gilt laut Unicef als die Beste der Welt. 86 % aller Mütter sind berufstätig und 42 % der Väter nehmen Elternzeit in Anspruch. Ein sehr komfortables Elterngeld und Elternzeitregelungen sorgen dafür, dass es Familien leichter gemacht wird. Die schwedischen Kitas haben von 7:00-19:00 Uhr geöffnet, auf 5 Kinder kommt eine Erzieherin. Jede/r zahlt Steuern nur für sich, es gibt kein Ehegattensplittting, was immer für die Frau ungünstig ausfällt.
Schweden erkannte früh, dass hinter Prostitution Menschenhandel steckt und es keine Freiwilligkeit gibt und hat deshalb schon 1998 Prostitution verboten. Freier werden mit bis zu 3 Jahren Haft bestraft, Prostituierten wird beim Ausstieg geholfen. Der Straftatbestand heißt: „Die grobe Verletzung der Integrität einer Frau“. Schweden integrierte die Gesetzgebung zur Prostitution in ein Gesetzespaket gegen Gewalt gegen Frauen, Misshandlungen, Vergewaltigung und sexuelle Belästigung unter der Bezeichnung „Frauenfrieden“.
Die amtierende rot - grüne Minderheitenregierung bezeichnet sich selbst als erste feministische Regierung der Welt. Die weltweite systematische Unterordnung von Frauen unter Männer ist im Grunde eine Menschenrechtsfrage, sagt die ehemalige Außenministerin Margot Wallström.
In Deutschland haben die Behörden anders als beim Thema „Umweltschutz“ das Thema „Gleichstellung der Geschlechter“ noch nicht etabliert. Die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter berichtet von einem Beispiel aus einer Personalplanungskonferenz, bei der sie nicht anwesend war und ganz schnell im Rahmen der Anerkennung des dritten Geschlechts bei Stellenausschreibungen auf die weibliche Berufsbezeichnung verzichtet wurde. Da kamen über 50 % der Bevölkerung als „w“ in einer Klammer neben der männlichen Bezeichnung vor. Zum Glück habe der Landrat schnell interveniert.
Gute Gleichstellungspolitik misst sich an gleichstellungspolitischen Entscheidungen der Politik bzw. des Kreistages in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen und daran, wie die Verwaltung ihre Strukturen so verändert, dass Mädchen und Jungen, Frauen und Männer die gleichen Chancen haben. Das Thema „Geschlechtergerechtigkeit“ muss integraler Bestandteil von Verwaltungshandeln werden. Dies gilt für den internen personalpolitischen Bereich, aber auch für die externen Aufgaben. „Gender Mainstreaming“ als Strategie und Geschlechtergerechtigkeit als Ziel ist bei jeder kommunalpolitischen Entscheidung mitzudenken.
Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter dankt den Kolleginnen in der Verwaltung für die gute kooperative Zusammenarbeit, aber auch dafür, das Thema Gleichstellung der Geschlechter, zunehmend auch kombiniert mit dem Themenbereich Migration, selbst wichtig zu nehmen und zu transportieren.
In der aktuellen Corona-Krise wird deutlich, dass Frauen wesentlich stärker von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind. Die mehrfach thematisierten gleichstellungspolitischen Schieflagen verschärfen sich jetzt. Die Frauen arbeiten in den schlecht bezahlten Frauenberufen wie Krankenpflege, Altenpflege, sitzen in den Supermärkten an den Kassen und betreuen zuhause im Homeoffice ihre Kinder. Es handelt sich um systemrelevante Berufe, zu denen auch Mitarbeiterinnen in den Küchen, den Wäschereien, der Verwaltung der Krankenhäuser und den Pflegeeinrichtungen sowie den Rettungsdiensten gehören. Dass fast ausnehmend Mütter ihre Kinder zuhause betreuen, weil Kitas und Schulen teilweise noch immer geschlossen sind, führt auch dazu, dass Frauen sich für längere Zeit aus der Erwerbsarbeit zurückziehen. Dies verfestigt die traditionelle familiäre Arbeitsteilung mit ihren geschlechtertypischen Rollenbildern. Die eigenen vier Wände sind für einige Frauen der gefährlichste Ort im Leben. Durch die Einschränkungen in öffentlichen Leben verschärfen sich Konflikte und Fälle von partnerschaftlicher Gewalt steigen an.
Aktuell wenden sich 20 aktive Frauenverbände und Gewerkschaften aus ganz Deutschland sich mit gleichstellungspolitischen Forderungen an die Bundesregierung und Arbeitgeber/innen. Auch die Gleichstellungsbeauftragten der Landkreise und kreisfreien Städte in der Region Braunschweig haben sich diesem bundesweiten Aufruf angeschlossen.
Forderungen sind unter anderem eine finanzielle Aufwertung der Berufe in Pflege, Gesundheitswesen, Erziehung und Einzelhandel sowie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter merkt an, dass vieles davon nicht kommunalpolitisch zu lösen sei, trotzdem aber einiges getan werden könnte.
„Alles, was wir als Gleichstellungsbeauftragte seit Jahren fordern, erscheint unter den Bedingungen der Corona – Pandemie wie unter einem Brennglas. Es ist also ein guter Zeitpunkt für Politik und Arbeitgeber, die gleichstellungspolitischen Schieflagen ernst zu nehmen und bei der Umsetzung der Forderungen ein ebenso engagiertes, sachbezogenes, mutiges und zeitnahes Handeln wie jetzt in der Corona-Pandemie zu zeigen“
Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter freut sich auf eine weitere gute Zusammenarbeit und dankt für die Aufmerksamkeit.
Die Vorsitzende KTA Frau Riedel-Kielhorn bedankt sich für die detaillierte Darstellung.
Auf Anregung von KTA Herr Hauschke, den Bericht entsprechend der Vorlage auf den Zeitraum 2016-2018 zu beschränken, verweist die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter auf die Vorgabe des Landes, einen Bericht im Dreijahreszeitraum zu erstellen. Ihre Intension war es, dies in den Gesamtzusammenhang mit ihrer 30-jährigen Tätigkeit zu bringen.
Zur Fragestellung der Bürgervertreterin Frau Schlaugat erläutert FDL Frau Dr. Opiela, dass der Ausbildungsberuf der Gesundheitsaufseherin bzw. des Gesundheitsaufsehers zum Beispiel die Aufgaben des Infektionsschutzes und der Umsetzung von Hygienebestimmungen unter den aktuellen Pandemiebedingungen, aber auch die Entnahme und Auswertung von Wasserproben umfasst.
Mit Bezug auf die Vorlage stellt Bürgervertreterin Frau Schlaugat die Frage, ob das gesteigerte Angebot an individuellen Teilzeitmodellen angesichts drohender Altersarmut sinnvoll ist. Die Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter erklärt, dass Angaben dazu aus den einzelnen Fachdiensten nicht bewertet wurden – dies sei Aufgabe der Verwaltung. Insgesamt habe die Landkreisverwaltung viele Teilzeitangebote, die langfristig sicher nicht existenzsichernd sind und häufig auch zu Altersarmut führen können. Trotzdem plädiert Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter für das Modell Führung in Teilzeit, damit Frauen in der Familienphase nicht auf Karriere verzichten müssen.
Auf die Anregung von Bürgervertreterin Frau Schlaugat, dass nicht existente Wort „Ehrenmord“ zu vermeiden, verweist die Leiterin des Referates des Referates für Migration und Teilhabe Frau Öztürk auf die Bedeutung des Wortes in Verbindung mit dem Ehrenkodex.
KTA Herr Marotz schlägt vor, das Wort „sogenannte“ vorwegzustellen.
KTA Frau Meyermann äußert, dass trotz der langen Zeit die umfangreichen Aktivitäten zum Thema Gleichberechtigung noch notwendig sind. Sie fragt, ob zu den in Teil C „Resümee der Gleichstellungsbeauftragten und des Landrates“ der Vorlage aufgeführten Forderungen ein politischer Beschluss erforderlich ist. Gleichstellungsbeauftragte Frau Tödter entgegnet, dass die Umsetzung wie im Bericht ersichtlich erfolgt ist und regt eine regelmäßige Nachfrage zum Sachstand an. Laut KTA Frau Meyermann sind die Ausführungen im Teil C somit als Empfehlungen für die Zukunft zu betrachten.
KTA Herr Samieske bedankt sich für die ausführliche Darstellung und die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten. Er sieht insbesondere angesichts der Verdienstnachteile der Frauen verstärkten Handlungsbedarf.
Nachdem keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stellt die Vorsitzende KTA Frau Riedel-Kielhorn fest, dass der Ausschuss von der Informationsvorlage Kenntnis genommen hat.