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Auszug - Neues Prostituiertengesetz - Was machen wir im Landkreis Peine?  

9. Sitzung des Ausschusses für Gleichstellung, Arbeit und Soziales
TOP: Ö 6
Gremium: Ausschuss für Gleichstellung, Arbeit und Soziales Beschlussart: (offen)
Datum: Mo, 23.04.2018 Status: öffentlich/nichtöffentlich
Zeit: 17:00 - 19:00 Anlass: Sitzung
Raum: Musikraum des Ratsgymnasiums
Ort: Burgstraße 2, 31224 Peine
 
Wortprotokoll
Beschluss
Abstimmungsergebnis

Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, referiert kritisch über das von der seinerzeitigen SPD-Grünen Koalition verabschiedete liberale Prostitutionsgesetz, das seit dem Jahre 2002 Gültigkeit hatte. Dieses Gesetz habe fatale Folgen gehabt, da es Deutschland zum Bordell Europas gemacht und den Menschenhandel zum Blühen gebracht habe. Weiter berichtet sie über das neue Prostituiertenschutzgesetz, wie der Landkreis Peine das Gesetz umsetzen könne und welche Maßnahmen ergriffen werden können, um Frauen besser zu schützen und ihnen hilfreiche Angebote zum Ausstieg aus der Prostitution anbieten zu können. (Anmerkung des Protokollführers: Der Vortrag ist als Anlage 2 diesem Protokoll beigefügt.) Dabei verweist sie auf entsprechende Presseartikel, Filmberichte und Zitate von ehemaligen Prostituierten, die die Themen Prostitution und Menschenhandel thematisieren. Darin  werden Zwangsprostitution und Prostitution gleichgesetzt, um mit dem Argument der Freiwilligkeit in der Prostitution und anderen Mythen aufzuräumen. Dazu gibt die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, einen Überblick über die Entwicklung der Prostitution in Deutschland in den Jahren 2002 bis 2017. Ein Blick auf die Entwicklungen in anderen europäischen Ländern soll weitere Möglichkeiten des Handelns aufzeigen und deutlich machen, dass eine klare Position gegen Prostitution und für die Bestrafung der Freier sowie Hilfe für Prostituierte zum Ausstieg ein Erfolgsmodell sein kann um die Prostitution zurückzudrängen, wie es beispielsweise in Schweden und Frankreich gelungen sei. Daran schließt sich eine Vorstellung von Maßnahmen und Möglichkeiten gegen Prostitution und ineinander greifender Maßnahmen zur Ausstiegshilfe für Prostituierte an. Eine Liste mit Vorschlägen, was im Landkreis Peine getan werden könne wie zum Beispiel die Schaffung von Belegwohnungen für ausstiegswillige Prostituierte, rundet den Vortrag ab.

 

BV Schlaugat erklärt, dass das im Jahre 2002 von der SPD-Grünen-Bundesregierung erlassene Prostitutionsgesetz falsch gewesen sei. Das Ziel sei vor allem die Möglichkeit eines Zugangs zur Kranken- und Rentenversicherung für Prostituierte gewesen. Keines der gesetzten Ziele sei erreicht worden. Runde Tische seien wichtig, aber daneben müssten sich auch alle Parteien für die Überarbeitung des Gesetzes einsetzen. Es gebe in der Prostitution keine Freiwilligkeit. Deshalb benötige man ein Gesetz, dass die Frauen schützt.

 

KTA Laaf erklärt, dass er sich der moralischen Seite der Ausführungen von BV Schlaugat anschließe, aber daneben gebe es die rechtliche Seite. Diese könne der Landkreis Peine nicht ändern. Er fragt nach der Situation aus ordnungspolitischem Blickwinkel.

 

Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, antwortet, dass sie mit dem Gesundheitsamt, das für die gesundheitliche Beratung der Prostituierten zuständig sei, zusammenarbeite. Die Thematik sei zwar eine Angelegenheit des Bundes, aber kommunalpolitisch könne man zumindest Aussteigerinnen helfen. Das Ordnungsamt sei nur für die Gewerbeanmeldung zuständig. Wichtig sei aus ihrer Sicht, dass Aussteigerinnen eine Wohnung und Arbeit angeboten werde und dass sie beim Ausstieg professionell begleitet werden. Wenn die Fraktionen sich darüber hinaus auf der Bundesebene einmischen, um eine Gesetzesänderung zu schaffen, die Prostitution verbiete, würde sie das sehr freuen.

 

FBL Dr. Buhmann ergänzt, dass das Prostituiertengesetz die Prostitution nicht zurückdrängen, sondern den Frauen helfen wolle. Beim Ordnungsamt erfolge die Anmeldung des Gewerbes und im Gesundheitsamt eine verpflichtende Gesundheitsberatung. Das Thema Aussteigerwohnung müsse man gegebenenfalls bei den Haushaltsberatungen aufgreifen.

 

Fachdienstleiterin (im Folgenden werden männliche und weibliche Fachdienstleitungen als FDL bezeichnet) Dr. Arnold fügt hinzu, dass es das Gesetz erst seit einem dreiviertel Jahr gebe. In dieser Zeit habe das Gesundheitsamt 20 Beratungen durchgeführt, wofür eine Sozialarbeiterin zur Verfügung stehe. Zwei Prostituierte haben erklärt, aussteigen zu wollen. Zwei von 20 seien 10 Prozent an Aussteigerinnen, was sie angesichts der noch kurzen Geltungsdauer des Gesetzes für bemerkenswert halte. Die Schwierigkeit bestehe in der Frage, wie man den ausstiegswilligen Frauen helfen könne. In Braunschweig und Hannover gebe es entsprechende Hilfen, die aber keine freien Kapazitäten haben. Das Gesetz betreibe Aufklärung, aber manche Prostituierte wollen nicht aussteigen, so dass das Gesetz insoweit ins Leere laufe.

 

KTA Hauschke stellt die Frage, ob in naher Zukunft etwas zum Aufbau eines Hilfsangebotes im Landkreis Peine geplant sei.

 

Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, antwortet, dass unter anderem die Einrichtung einer Belegwohnung angedacht sei, die auch Frauen offen stehen sollte, die von Gewalt betroffen seien. Des Weiteren widerspricht sie FDL Dr. Arnold und erklärt, dass Prostitution niemals wirklich freiwillig sei. Es sei ebenso Zwang, wenn Frauen mit Gewalterfahrung und sexuellem Missbrauch aus ihren Herkunftsfamilien Prostituierte werden als wenn sie wegen massiver Armut von ihren Familien geschickt oder zur Prostitution gezwungen werden. Die Freiwilligkeit von Prostituierten bezeichnet sie als Mythos. Der Zwang, dem Prostituierte unterliegen, sei dabei nicht nur körperliche Gewalt, sondern auch Armut stelle einen Zwang dar.

 

FDL Dr. Arnold entgegnet, dass manche Prostituierte ihr Gewerbe als ehrbaren Beruf ansehen.

 

Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, hält dagegen, dass Frauen, die sich prostituieren, ihre Tätigkeit nicht kritisch hinterfragen können, weil sie sonst nicht weitermachen und aufhören müssten. Sie verweist dabei auf Sabine Constabel aus Stuttgart, die seit über 30 Jahren in der Beratung und Ausstiegsberatung von Prostituierten tätig sei.

 

KTA Cavalli bezieht sich auf die angedachte Belegwohnung und wirft die Frage auf, ob statt einer Belegwohnung nicht die Kapazität des Frauenhauses erhöht werden könne.

 

Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, erwidert, dass man dort keine Prostituierten unterbringen könne.

 

BV Schlaugat ergänzt, dass im Peiner Frauenhaus Frauen, zum Teil  mit Kindern, leben, die Gewalterfahrung gemacht haben. Des Weiteren erklärt sie, dass sie ebenfalls nicht an die Freiwilligkeit der Prostituierten glaube. Es könne sein, dass es die eine oder andere tatsächlich freiwillig mache, aber deren Anteil liege bei unter einem Prozent. Sie plädiert daher für die Übernahme des ‚Schwedischen Modells‘, in dem Prostitution verboten sei und die Freier mit einer Geldbuße belegt werden.

 

KTA Sachtleben erklärt, nicht von Prostitution als Beruf sprechen zu wollen. Das angeblich ‚älteste Gewerbe der Welt‘ sei nichts anderes als eine Geschichte der Gewalt. Der Kampf gegen die Prostitution sei ein Zeichen von Zivilisation. Deshalb sollte man vor Ort helfen, aber diese Hilfen müssen konkretisiert und dann in den Haushalt eingebracht werden.

 

KTA Laaf weist darauf hin, dass es für den Landkreis Peine bezüglich des Prostituiertengesetzes um Rechtsanwendung gehe. Es müsse ein Paket geschnürt werden, für das die Politik Vorschläge der Verwaltung benötige.

 

KTA Mittal äußert sich schockiert über das gehörte bezüglich der Situation von Prostituierten und räumt ein, bislang ebenfalls an die Freiwilligkeit geglaubt zu haben. Sie werde das Thema in ihre Fraktion mitnehmen und dort besprechen.

 

KTA Samieske wünscht zu wissen, was bislang unternommen worden sei. Des Weiteren wünscht er zu wissen, ob Sozialarbeiter/innen entsprechend geschult worden sind. Zudem stellt er die Frage, ob die Prostituierten auf das Gesundheitsamt zukommen würden und was Polizei und Ordnungsamt  machen.

 

FDL Dr. Arnold wiederholt, dass das Gesetz erst seit dem 01.07.2017 in Kraft sei und seine Umsetzung noch in der Anlaufphase sei. Im Gesundheitsamt habe eine Sozialarbeiterin für die Beratung einen Stellenanteil erhalten und eine Fortbildung durchlaufen. Die Prostituierten müssen ihr Gewerbe beim Ordnungsamt anmelden und müssen dann verpflichtend in das Gesundheitsamt kommen. Die Beratung erfolge im Bedarfsfalle auch mit Dolmetschern/-innen beziehungsweise Sprachprogrammen.

 

Die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Tödter, erklärt, dass 80 bis 90 Prozent der Zwangsprostituierten aus Osteuropa kommen, überwiegend aus Bulgarien und Rumänien. Diese würden teilweise von ihren eigenen Familien zur Prostitution gezwungen, um mit dem eingenommenen Geld die Familie in der Heimat zu unterstützen. Wenn man Prostituierte befrage, ob sie freiwillig oder gezwungenermaßen dieser Tätigkeit nachgehen, erhalte man nie eine ehrliche Antwort. Das größte Problem sei in Deutschland die Rechtsauffassung: Während in Schweden die Gesetzgebung gemeinwohlorientiert sei, habe man hier individuelle Rechte. Würde der Gesetzgeber in Deutschland etwas verbieten, könne ein Betroffener dagegen klagen. Bekommt er Recht, können alle anderen auch dieses Recht in Anspruch nehmen. In Schweden gebe der Staat vor, was für die Gesellschaft gut sei und im Falle einer Klage wegen individueller Ansprüche sei die Klage aussichtslos. Für Schweden sei Prostitution menschenunwürdig und daher vom Staat verboten.

 

Da keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stellt die Vorsitzende, KTA Riedel-Kielhorn fest, dass der Ausschuss Kenntnis genommen habe und die Ausschussmitglieder das Thema in ihre Fraktionen mitnehmen werden. Anschließend schließt sie diesen Tagesordnungspunkt.